Wir sind in diesen Tagen Zeugen, wie es um die angebliche Offenheit unserer welschen Freunde bestellt ist. Nun haben auch die Städte Neuenburg, Nyon und Morges mit ihrer freiheitlichen Tradition gebrochen und die Absicht bekundet, den Aushang der umstrittenen Anti-Minarett-Plakate zu verbieten. Die Stadtregierung von Neuenburg bezeichnete die Plakate in einer Medienmitteilung als „äusserst despektierlich gegenüber der muslimischen Gemeinschaft“.
Diese Regierungen spielen sich als Gouvernanten auf. Sie betrachten sich allen Ernstes als zuständig für das Betragen der Bürgerinnen und Bürger und fühlen sich berechtigt, nach eigenem Gutdünken korrigierend einzugreifen. Daran, dass in einem Rechtsstaat für staatliches Handeln das Recht und eben nicht die Willkür oder das Empfinden der Behörden massgeblich ist, wird kein Gedanke verschwendet.
Nach Ansicht der Neuenburger Gutmenschen ist also erlaubt, was ihnen gefällt, und verboten, was ihnen missfällt. Die Meinungsäusserungsfreiheit schützt aber ein ganz anderes Rechtsgut, nämlich das Recht, zu sagen, was der Regierung nicht passt. Die Meinungsäusserungsfreiheit schützt das Recht, sich despektierlich, sogar äusserst despektierlich, zu äussern. Und die Behörden haben das zu tolerieren. Das ist das grossartige an der Meinungsäusserungsfreiheit. Toleranz gegenüber denjenigen, die die eigene Ansicht teilen, ist wertlos. Nur wer den Andersdenkenden Freiheit zugesteht, ist freiheitlich und tolerant.