Mein Referat zur Durchsetzungsinitiative anlässlich der Delegiertenversammlung der SVP des Kantons Graubünden vom 28. Januar 2016.
Haben Sie vielen Dank für die Einladung zu Ihnen nach Thusis. Auch die Zürcher SVP führt übrigens heute Abend ihre Delegiertenversammlung durch, aber wenn mich die Bündner rufen, dann komme ich natürlich. Ja, für Sie wäre ich sogar in meinen Heimatort nach Poschiavo gekommen. Für heute bin ich allerdings froh, dass wir uns in der Mitte treffen.
Gemäss Einladung habe ich Ihnen heute Abend die Vorzüge der Durchsetzungsinitiative, über die wir am 28. Februar abstimmen, anzupreisen. Doch da es um unsere eigene Initiative geht, für die Sie sogar Unterschriften gesammelt haben, wählte ich einen anderen Ansatz:
Ich will Ihnen nicht erläutern, was alles für die Durchsetzungsinitiative spricht, sondern, was alles nicht dagegen spricht. Ich werde mich also mit den Argumenten unserer Gegner auseinandersetzen:
Erstens: Es wird behauptet, unser Vorgehen sei unstatthaft, weil wir mit unserer Initiative nicht bis zur Verabschiedung der Gesetzesvorlage gewartet hätten.
Geschätzte Delegierte, es wäre geradezu fahrlässig gewesen, solange zu warten, denn bereits nach wenigen Wochen war klar, dass die Parlamentsmehrheit will, was zuvor von sämtlichen Ständen verworfen worden ist: Die Berücksichtigung des Straffmasses und die Erweiterung des richterlichen Ermessens. Bei unseren Richtern, die ausser bei Verkehrsdelikten nicht mehr zu strafen wissen, würden Härtefälle zur Regel, anstatt zur Ausnahme.
Im Übrigen fällt der Vorwurf auf unsere Kritiker zurück. Betrachten wir bloss einmal die Spekulationsstopp-Initiative, über die wir ebenfalls am 28. Februar abstimmen: Dort ist die Durchsetzungsinitiative bereits im Initiativtext enthalten: Wörtlich heisst es in der geforderten Übergangsbestimmung:
Treten innerhalb von drei Jahren nach Annahme von Artikel 98a durch Volk und Stände die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen nicht in Kraft, so erlässt der Bundesrat die nötigen Ausführungsbestimmungen auf dem Verordnungsweg; diese gelten bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmungen.
Zweitens wird uns vorgeworfen, unsere Initiative sehe einen unzulässigen Automatismus vor, der das richterliche Ermessen einenge
Meine Damen und Herren, es gehört zu den Errungenschaften der Aufklärung, dass Richter an das Gesetz gebunden sind und nicht einfach nach Belieben urteilen dürfen. Lesen Sie nur einmal die Einleitungstitel unseres Zivilgesetzbuches. Dort ist genau beschrieben, wie Richter vorzugehen haben, wenn tatsächlich eine Gesetzeslücke vorliegt: Sie müssen eine generell-abstrakte Regel aufstellen, als wären sie selber Gesetzgeber, und müssen diese dann auf den konkreten Fall anwenden. Sie dürfen sich also das Urteil für den konkreten Fall nicht aus den Fingern saugen.
Gerade auch im Zusammenhang mit der fehlenden Verfassungsgerichtsbarkeit in unserem Land kommt das Bestreben, Richter an die kurze Leine zu nehmen zum Ausdruck. Es ist nämlich nicht so, dass es vergessen gegangen wäre, ein Verfassungsgericht einzuführen. Nein, das Schweizer Volk und die Stände habe es dem Bundesgericht ausdrücklich untersagt, Gesetze auf die Verfassungsmässigkeit zu überprüfen. Artikel 190 BV postuliert den Vorrang von Bundesgesetzen, weil diese demokratisch legitimiert sind. Die Justiz bewegt sich also nicht im freien Raum.
Dass Richter nach Feststellung eines Sachverhalts eine bestimmte Konsequenz anordnen müssen, ist das Wesen ihrer Arbeit. Vor allem im Strafrecht geht es um nichts anderes. So heisst es etwa im Strafgesetzbuch:
Art. 87
1 Dem bedingt Entlassenen wird eine Probezeit auferlegt, deren Dauer dem Strafrest entspricht. Sie beträgt jedoch mindestens ein Jahr und höchstens fünf Jahre.
Art. 111
Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, […] wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
Im Strassenverkehrsrecht sind wir sogar bald so weit, dass wir Richter durch Automaten oder Tabellen ersetzen könnten.
Die Durchsetzungsinitiative bringt diesbezüglich also nichts Neues.
Drittens heisst es, mit der Durchsetzungsinitiative würde die Ungleichbehandlung zwischen Schweizern und Ausländern Einzug halten in unsere Rechtsordnung
Geschätzte Delegierte, dieser Vorwurf zeigt, wie weit die Degenerierung, ja die Dekadenz in unserer Gesellschaft bereits fortgeschritten ist. Ein Staat, der keinen Unterschied mehr macht zwischen seinen Angehörigen und Fremden, ist kein Staat mehr. So einfach ist das. Und trotzdem wollen das gewisse Leute…
Gleichheit vor dem Recht ist nicht Gleichmacherei. Schon gar nicht eine Faktische.
Auch das Bundesgericht folgt dem Grundsatz, dass Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln ist.
Rechte von Schweizer Bürgern
- Politische Rechte
- Diplomatischer Schutz im Ausland
- Niederlassungsfreiheit
- Ausweisungsverbot
- Auslieferungsverbot
- Zugang zu Berufen, die ausdrücklich Schweizer Bürgern vorbehalten sind (erodierend)
Daneben gibt es auch Pflichten, die nur Schweizer Bürger zu erfüllen haben:
- Dienstpflicht
- Weitere Bürgerpflichten (Amtspflicht, z.B. als Geschworene, Stimmenzähler oder Gemeindepräsident, wie Pfarrer Blocher in Hallau)
Es gibt aber auch andere Delikte, die nur von einem bestimmten Personenkreis begangen werden können. Das Arztgeheimnis zum Beispiel kann nur ein Arzt verletzen oder das Bankgeheimnis nur ein Bankmitarbeiter. Oder auch Bestechung ist nur dann strafbar, wenn Richter oder Beamte bestochen werden.
Daneben ist auch vorgesehen und vollkommen unbestritten, dass gewisse Delikte härter bestraft werden, wenn die Täter eine gewisse Eigenschaft erfüllen. So finden wir es bestimmt alle vollkommen richtig, dass sexueller Missbrauch an einer anvertrauten Person von Gesetzes wegen härter bestraft wird, als unter völlig Fremden. Das ist eine klare, aber gewollte, Ungleichbehandlung.
Viertens ist zu lesen und zu hören, seien wir eine herzlose Bande, die Hoffnungsträger unserer Gesellschaft wegen Bagatelldelikten aus dem Land werfen wollen.
Auch diese Dialektik bringt eine bedenkliche Geisteshaltung zum Ausdruck. Es wird so getan, als verdiente man für ein so genanntes Bagatelldelikt, nicht eine Strafe, sondern vielmehr einen Pokal. Meine Damen und Herren: Das muss aufhören!
Das Beispiel von dem Jungen, der im Garten des Nachbarn einen Apfel klaut und deswegen getrennt von seiner Familie in ein Land verbannt wird, das er nur aus den Schilderungen seiner Eltern kennt, ist abwegig. Die Durchsetzungsinitiative umfasst keine Bagatelldelikte.
Übertretungen, welche mit Ordnungsbusse geahndet werden, führen gemäss Initiative nicht zwingend zur Landesverweisung. Voraussetzung ist die Verurteilung zu einer Geldstrafe oder zu einer Freiheitsstrafe.
Um eine zwingende Landesverweisung gemäss Durchsetzungs-Initiative zu erhalten, sind z.B. zwei (oder mehr) Verurteilungen wegen Fahrens im angetrunkenen Zustand nicht genügend. Um eine zwingende Landesverweisung zu erreichen, ist die Verurteilung zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe aufgrund eines im Deliktskatalog genannten Delikts erforderlich. Erst dann fallen allfällige Vorstrafen (auch wegen anderer Delikte) ins Gewicht.
Ich komme damit zu meinem fünften und letzten Punkt, der Frage nach der Verhältnismässigkeit:
Der linksfreisinnige Nationalrat Kurt Fluri behauptete in der NZZ: „Die Durchsetzungsinitiative verstösst gegen das in der Bundesverfassung verankerte Rechtsprinzip, wonach staatliches Handeln verhältnismässig sein muss.“
Tatsächlich findet sich in Art. 5 Abs. 2 BV folgende Bestimmung:
„Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.“
Wann etwas verhältnismässig ist und wann nicht, sagt die Bundesverfassung nicht. Erst recht überlässt sie den Entscheid nicht Herrn Fluri und seinen linken Freunden.
Das Verhältnismässigkeitsprinzip stellt keine absolute Grösse dar, sondern ist vielmehr eine Richtschnur für die gesamte Rechtsordnung. Bei sämtlichen Eingriffen in die persönliche Freiheit ist der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten. So dürfen die Beschränkungen der persönlichen Freiheit nicht über das Nötige hinausgehen.
Wo die Grenzen liegen, ist Gegenstand der politischen Auseinandersetzung. Persönlich finde ich es nicht nur verhältnismässig, sondern ein Gebot des gesunden Menschenverstands, wenn Mörder, Vergewaltiger und Drogenhändler des Landes verwiesen werden. Diese Menschen sind hier nicht willkommen. Sie haben ihr Bleiberecht missbraucht und müssen darum gehen.
Damit sind auch die Bedingungen erfüllt, die das Bundesgericht an die Verhältnismässigkeit stellt: Danach müssen Eingriffe in die persönliche Freiheit sachlich begründet und menschenwürdig sein. Und sie dürfen nicht schikanös sein. Das BGer betrachtet sogar die strenge Isolationshaft in einigen Kantonen, also die fast vollständige Isolierung Gefangener von der Aussenwelt, als zulässig.
Unsere Durchsetzungsinitiative geht nicht einmal so weit. Sie können ihr also getrost zustimmen.
Besten Dank.