Noch einer, der einst das Verbieten verbieten wollte, ist vom Paulus zum Saulus geworden: Genosse Bundesrat Moritz Leuenberger hat „alles Verständnis“ für ein Verbot des umstrittenen Plakats zur Anti-Minarett-Initiative. Es gehe aber um die alte Frage, wie eine liberale Gesellschaft mit einer intoleranten Strömung umgehe.
Hin und wieder die Bundesverfassung zur Hand zu nehmen, würde Moritz Leuenberger gut anstehen. Dort findet sich nämlich in Artikel 5 der Satz, dass „Grundlage und Schranke staatlichen Handelns“ das Recht sei. Mit anderen Worten: Wofür ein Bundesrat Verständnis hat oder wofür er kein Verständnis hat, ist vollkommen irrelevant. Massgeblich ist das Recht. Und diese Bestimmung hat genau den Zweck, zu verhindern, dass unsere Freiheit von Launen unserer Exekutivpolitiker abhängt. Sie setzt dem Absolutismus Schranken und zwingt zur Beachtung der Gesetze. Im Falle der Meinungsäusserungsfreiheit ist die Sache sogar sehr simpel. Sie darf nur eingeschränkt werden, wenn ansonsten eine – konkrete – Gefährdung des Staates droht, etwa in Kriegszeiten. Bloss die Hosen voll zu haben, genügt nicht.
So zumindest sollte es in einer liberalen – ich bevorzuge den Begriff „freiheitlichen“ – Gesellschaft sein. Leuenberger behauptet zwar, es gehe ihm darum, diese vor intoleranten Strömungen zu schützen, doch denkt er dabei an die Falschen. Sind diejenigen, die auf demokratischem Weg für ihre Freiheit einstehen, intolerant? Oder sind diejenigen die Toleranten, die Botschaften stürmen, Menschen bedrohen und umbringen, weil sie sich wegen einiger Karikaturen beleidigt fühlen?
Als Politiker verfolgt Moritz Leuenberger natürlich eine politische Agenda. Ist es tatsächlich nur sein glühender Anti-Amerikanismus, der ihn dazu veranlasst, die Errungenschaften der Aufklärung über Bord zu werfen? Oder ist es tatsächlich die Angst vor islamistischem Terrorismus?
Noch wesentlich schwerwiegender ist allerdings, was im Tages-Anzeiger von heute zu lesen ist: Da unterhält sich Silvio Temperli mit der Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch darüber, dass es der Stadtrat soeben abgelehnt hat, das Plakat zu verbieten. Frau Mauch machte jedoch klar, dass sie sowohl die initiative als auch das Plakat selbst ablehnt. Darauf Temperli: „Wenn sie Stil und Botschaft des Plakats ablehnen, müssten sie es konsequenterweise verbieten.“ Weiter wirft er der Stadtpräsidentin vor, die Gelegenheit verpasst zu haben, „ein Zeichen zu setzen“. Im gleichen Blatt, das Silvio Berlusconi praktisch täglich vorwirft, seine Medienmacht zu missbrauchen, wird ein obrigkeitliches Machtwort gefordert. Unglaublich!
Man stelle sich einmal vor, jemand aus der SVP würde fordern, Auftritte von Marthaler, Schlingensief oder Hirschhorn zu verbieten, weil deren „Stil und Botschaft“ nicht gefällt. – Das sollte reichen um zu zeigen, wie unreflektiert, ja debil Temperlis Aussage ist. Ein Journalist, der keinen Sinn für die Bedeutung des freien Wortes und Ausdrucks hat, hat seinen Beruf verfehlt.
Ob Temperli auch die Verbrennung Giordano Brunos mit dem Argument rechtfertigen würde, es sei dem Papst bloss darum gegangen, ein Zeichen zu setzen?
Ist ihm das gelungen? Nein, die Freiheit hat sich am Ende durchgesetzt.
Der ganze Verbotswirbel um das Minarettplakat hat diesem ungemeine Publizität verschafft. Die dadurch erzielte Aufmerksamkeit wird auf 1 Mio. sFr. Kampagnenkosten geschätzt, und das gratis ! Das freut mich ungemein. Eine Meisterleistung der Antiminarettkampagne. Trotzdem befürchte ich Ablehnung der Initiative. Die Schweizer werden einmal mehr Angst haben vor dem eigenen Mut, so wie letzthin bei der IV-Zusatzfinanzierung auf Kosten der AHV. Man traut sich nichts mehr, man will gut angesehen sein, man will zu den Guten gehören, man duckt sich.
Mit Macheten hat ein islamisches Gericht in Somalia zwei des Raubes beschuldigten Männern jeweils eine Hand und einen Fuss amputieren lassen. (Quelle: 20 Minuten nach AP)
Wo bleiben Leuenbergers mahnende Worte? Warum fordert er die Verurteilten nicht zu Toleranz gegenüber den Scharia-Richtern auf? Die machen schliesslich nur ihre Arbeit.
Meldung auf 20 Minuten am 11.10.09: Ein 21-jähriger ist in einem iranischen Gefängnis hingerichtet worden. Zur Tatzeit war er noch minderjährig. Sein Anwalt Mohammad Mostafaei kritisierte scharf, dass Behnud Schodschai im Teheraner Evin-Gefängnis gehängt worden sei, obwohl er seine Tat als Jugendlicher begangen habe. Dies widerspreche den internationalen Verpflichtungen des Irans. Schodschai war erst 17 Jahre alt, als er in einem Park einen anderen Jugendlichen im Streit erstach.
Gegenüber dem Iran sind unsere Sozis Leuenberger und Calmy-Rey nicht nur tolerant sondern unterwürfig.