Wer in der Schule aufgepasst hat, weiss, dass die Staatsmacht in drei Gewalten aufgeteilt ist. Dieses System, das sich als überlegen erwiesen hat, könnte simpler nicht sein: Die Legislative bestimmt, was die Exekutive umzusetzen hat, und die Gerichte wachen über die Einhaltung der von der Legislative beschlossenen Gesetze.
Der Theorie nach ist also die Legislative die dominierende Gewalt. In der Realität ist es allerdings die Exekutive – aufgrund ihres Informationsvorsprungs. Das ändert jedoch nichts an der verfassungsmässigen und vom Bürger einklagbaren Aufgabenteilung. Aus diesem Grund sollten sich Vertreterinnen und Vertreter der Exekutive in Abstimmungskämpfen äusserste Zurückhaltung auferlegen. Als man zur politischen Kultur noch sorge trug, war dies eine Selbstverständlichkeit. Denn wie soll eine Regierung einen Beschluss des Stimmvolkes glaubwürdig umsetzen, den sie zuvor im Abstimmungskampf bekämpft hat? Aus den Erfahrungen der EWR-Abstimmung wissen wir jedenfalls, dass dieser Entscheid von Volk und Ständen nie wirklich akzeptiert worden ist. Auch nach bald 20 Jahren betreiben Regierung und Verwaltung dagegen Obstruktion.
In diesen Tagen erreichte mich ein Schreiben des Zürcher Komitees gegen Exportverbote zur Bekämpfung der GSoA-Initiative, die ein Ausfuhrverbot für Kriegsmaterial und besondere militärische Güter in der Bundesverfassung festschreiben will. Als Erstunterzeichnerin firmiert die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer, die einem solchen Abstimmungskomitee nicht beitreten sollte. Im Kanton Zürich gibt es nämlich auch Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, die das Volksbegehren unterzeichnet haben oder ihm an der Urne zustimmen werden. Und Rita Fuhrer ist Regierungsrätinnen aller Zürcherinnen und Zürcher und sollte sich darum neutral verhalten. Dass sie diesen GSoA-Schwachsinn jedoch aus innerster Überzeugung ablehnt ist richtig und verständlich. Von einer SVP-Politikerin erwarte ich nichts anderes.
Auch die Vorsteherin des eidg. Volkswirtschaftsdepartements, Doris Leuthard, wird gegen die Initiative antreten. Sie wird am 26 Oktober im Hotel Marriott als „Keynote-Speakerin“ auftreten, da „Hauptrednerin“ offenbar zu wenig glamourös ist. Frau Leuthard wird ex cathedra sagen, was Sache ist, danach darf auf einem Podium etwas gestritten werden. Bedenklich ist, dass sich Politiker aus allen Lagern sowie Verbandsvertreter dies gefallen lassen. Wir brauchen eine Regierung, damit Schulen und Spitäler funktionieren, damit wir fliessend Wasser und Strom haben. Wir brauchen jedoch keine Regierung, damit wir wissen, was wir zu denken, bzw. wie wir abzustimmen haben.
Abstimmungskämpfe sollen von den Parteien, den Verbänden und der Wirtschaft geführt werden. Im konkreten Fall ist es Aufgabe der einst starken Rüstungsindustrie, für ihre Anliegen einzustehen. Doch wo sind diese? Wo bleibt beispielsweise die SIG, die bevor sie Milchpackungen herstellte, der Schweizerarmee Sturmgewehre lieferte? Bleibt am Ende alles an der bundeseigenen RUAG hängen?
Der Gruppe „Sicherheits- und Wehrtechnik“ des Branchenverbands Swissmem gehören 44 Unternehmen an. Es ist an ihnen, sich für ihre – legitimen – Interessen einzusetzen. Interessenvertretung ist nichts Unanständiges. Niemand wird sich wundern, dass die Initiative der Armeeabschaffer dieser Branche ein Dorn im Auge ist. Wenn sie sich aber auf die Unterstützung durch die Exekutive verlässt, wird sie sich eines Tages die Augen reiben, denn die Hilfe der Regierung ist weder selbstlos noch gratis. Das war sie nie, und das wird sie nie sein. Höhere Steuern und neue Auflagen, die als Kompromisse angepriesen werden, sind so sicher wie das Amen in der Kirche.