«Ich missbillige, was du sagst, aber ich werde bis zum Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen.»
Evelyn Beatrice Hall (1868 – 1956)
«Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann das Recht, anderen Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.»
George Orwell (1903 – 1950)
«Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.»
Victor Hugo (1802 – 1885)
Das für das Funktionieren der Demokratie existentielle Grundrecht auf freie Meinungsäusserung gerät zunehmend unter Druck. Es ist den Regierenden lästig, wie manche von ihnen freimütig bekennen.
Während Zensur in der Vergangenheit nie die von den Mächtigen erhoffte Wirkung hatte, eröffneten sich diesen mit dem Internet neue, zuvor ungeahnte Möglichkeiten, die auf die totale Kontrolle des Lebens der «Untertanen» hinauslaufen. Die «Corona-Massnahmen» haben gezeigt, wie weit – vermeintlich demokratische – Regierungen zur Durchsetzung ihrer Ziele zu gehen bereit sind.
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Seit sich die Regierenden das Recht herausnehmen, das Geistesleben der Menschen in ihrem Sinne zu kontrollieren und zu beeinflussen, behaupten sie, das sei zum Wohle der Allgemeinheit nötig. Gerade spielen sie sich als «Retter der Demokratie» und Beschützer vor «Fake News» auf. In Tat und Wahrheit zerstören sie die Grundlagen der Demokratie und polieren nur deren Fassade.
Widerstand ist jetzt geboten. Als die alten Römer merkten, dass ihre geliebte Republik im Prinzipat des Augustus zur leeren Hülle verkommen war, war es bereits zu spät…
1. Vorbemerkungen
Die Terminologie des Menschenrechts auf freie Rede ist uneinheitlich. In diesem Papier werden «Meinungsfreiheit», «Meinungsäusserungsfreiheit», «Redefreiheit», «Recht auf freie Rede», sowie «Meinungs- und Informationsfreit» synonym verwendet, und zwar als das wichtigste, verbriefte Abwehrrecht freier Menschen gegen staatlichen Massnahmen, die diese Freiheit bedrohen. Der Staat ist dadurch zu einem Dulden verpflichtet. Er muss also etwas ertragen, das ihm missfällt.
Dieses Papier konzentriert sich auf staatlich Zensur. Es ist allerdings unbestreitbar, dass Zensur auch von privaten Akteuren ausgehen kann. Obwohl deren Druckmittel bis zum Stellenverlust reichen können, sind meiner Ansicht nach das Eigentumsrecht sowie die Vertragsfreiheit im Konfliktfall höher zu werten als das Recht des Individuums auf freie Meinungsäusserung unter Privaten. Diese Problematik verliert zudem massiv an Bedeutung, sobald staatliche Gremien und staatlich finanzierte NGOs unter dem Dünkel moralischer Überlegenheit in den Wettbewerb der Ideen eingreifen. Es kann jedenfalls nicht Aufgaben des Staates oder staatlicher Gerichte sein, darüber zu urteilen, welche Meinungen freie Menschen als zulässig oder unzulässig zu betrachten haben.
Was Rechtsgrundlagen und Gerichtsentscheide angeht, werden wahlweise deutsche oder schweizerische Quellen berücksichtigt. Dieses Papier will kein Rechtsgutachten in einem spezifischen Anwendungsfall, sondern vielmehr eine Argumentationshilfe grundsätzlicher Art sein. Die prinzipiellen Fragen stellen sich in allen Ländern die gemeinhin als «der Westen» bezeichnet werden, gleichermassen.
2. Ein sehr einfaches Konzept: Freiheitsrechte schützen die Menschen vor dem Staat
Die allen Freiheitsrechten zugrundeliegende Idee ist denkbar einfach: Der zuvor umfassenden Macht der Staatsgewalt werden Grenzen gesetzt. Die Menschen dürfen «nach eigener Fasson» glücklich werden, und der Staat hat sie in Ruhe zu lassen.
Die Staatsgewalt darf nicht nur nicht gegen den Willen der rechtunterworfenen Menschen ausgeübt werden, sie muss vielmehr Ausfluss der «Volonté générale» sein. Im deutschen Grundgesetz findet sich dazu in Artikel 20 der berühmte Satz: «Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.» In der Schweiz räumt Artikel 148 den Rechten von Volk und Ständen ausdrücklich eine Vorrangstellung vor denen des Parlaments ein: «Die Bundesversammlung übt unter Vorbehalt der Rechte von Volk und Ständen die oberste Gewalt im Bund aus.»
Die Ausgestaltung einzelner Freiheiten ist Sache der Nationalstaaten. Es gibt nicht einmal eine fixe Zahl von Freiheitsrechten. Bis zur Totalrevision von 1999 enthielt die Schweizerische Bundesverfassung beispielsweise nur wenige geschriebene Freiheitsrechte. Selbst die hier abgehandelte Meinungsäusserungsfreiheit war, im Gegensatz zur Pressefreiheit, nicht aufgeführt. Gleichwohl bezeichnete sie das Bundesgericht, das die Rechte und Freiheiten der Schweizerinnen und Schweizer im Zuge der Rechtsprechung herausarbeitete und verteidigte, als «principe fondamontal».
Wichtig sind schliesslich nicht die Kodifizierung und die «feierliche Proklamation» von Menschen- und Freiheitsrechten, wie 2000 in der EU geschehen, sondern deren Beachtung durch die Mächtigen und ihre Erfüllung mit Geist in der Gewissheit, «dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht».[1]
Diese Abwehrfunktion der Freiheitsrechte kommt auch in den Bestimmungenüber allfällige nötige Einschränkungen zum Ausdruck:
- Es bedarf einer generell-abstrakten Norm in Gesetzesform.
- Die vorgesehene Einschränkung muss geeignet sein, das im öffentlichen Interesse liegende Ziel zu erreichen.
- Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein, d.h. kann mit weniger weit gehenden Einschränkungen das gleiche Ziel erreicht werden, sind diese vorzuziehen.
- Der Kerngehalt der Grund- und Freiheitsrechte ist unantastbar.
- Die Zulässigkeit der Verletzung von Grund- und Freiheitsrechten unterliegt der Prüfung durch unabhängige Gerichte.
In einem freiheitlichen Rechtstaat ist demnach alles erlaubt, was nicht verboten ist. Dieses Konzept findet auch in der strafrechtlichen Unschuldsvermutung ihren Niederschlag, weshalb es Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist, schuldhaftes Verhalten zu beweisen.
3. Zensur (Definition)[2]
Der Begriff Zensur bezeichnet die kirchliche oder staatliche Überwachung von öffentlich gehaltenen Reden, bildlichen Darstellungen, Druckerzeugnissen, Theaterstücken, Filmen, Rundfunk- und Fernsehsendungen und anderer Massenmedien.
Zensur zielt auf die inhaltliche Kontrolle der Kommunikation über politische, wirtschaftliche, soziale und religiöse Themen; sie dient letztlich den jeweiligen Herrschaftsträgern zur Absicherung ihrer Macht. Zu den Errungenschaften der Aufklärung und des Liberalismus gehörten auch das Recht auf freie Meinungsäusserung und die Pressefreiheit (Menschenrechte); seitdem gilt die Zensur als ein Kennzeichen totalitärer Staatsordnungen. Allerdings behalten sich bis heute auch demokratische Staaten das Recht vor, die Medien in aussergewöhnlichen Lagen zu zensurieren. Die strafrechtliche Verfolgung von Verleumdungen, Darstellungen extremer Gewalt oder harter Pornografie in den Medien dient dem Schutz anderer zentraler Rechtsgüter wie zum Beispiel dem Jugendschutz und wird daher nicht als Zensur begriffen. Neben der offenen und der versteckten Zensur existieren auch andere, oft subtile Formen der Einflussnahme. Wirtschaftliche Pressuregroups üben zum Beispiel Druck aus, indem sie kritische Medien bei der Vergabe von Inseraten boykottieren.
4. Zensur ist ein Instrument der Macht
Wer, egal in welcher Weise, mit anderen Menschen kommuniziert, tut dies in der bewussten oder unbewussten Absicht, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die Palette möglicher Ziele reicht von der einfachen Vermittlung von Information, von Werbung über die Erziehung, das Belustigen, das Erschrecken bis zum Einschüchtern oder Drohen.
So gesehen ist jede Kommunikation auch Manipulation. Diese wird erst ab einem gewissen Grad unlauter, etwa wenn die dahinterstehende Absicht nicht erkenntlich ist, wenn sie der Täuschung dient, oder wenn dem Empfänger die Überprüfung des Wahrheitsgehalts verunmöglicht wird.
Zensur – auch die aktive Förderung bestimmter Medien – dient dem Ziel, das Geistesleben in religiöser, sittlicher oder politischer Hinsicht zu kontrollieren und zu lenken. Vor allem Nachrichten, künstlerische Äusserungen und Meinungsäusserungen sind Gegenstände der Zensur. In der Geschichte wurde diese Kontrolle damit begründet, man wolle oder müsse schutzbedürftige Gesellschaftsgruppen vor der schädlichen Wirkung solcher Inhalte bewahren.
Zensur geht mit der Zeit. Auch hier gilt Lord Actons Diktum, dass Macht korrumpiert und totale Macht total korrumpiert. Die Mächtigen üben Zensur, weil sie es können. Ähnlich wie bei Waffen, wo jede Entwicklung den nächsten Verbesserungsschritt nach sich zieht, hängen Umfang und Wirkung der Zensur von der technischen Entwicklung der Medien ab.
Politiker bekennen mittlerweile freimütig, dass sie sich durch das Recht der Andersdenkenden, ihre Meinung frei zu äussern, in ihren Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt fühlen. Stellvertretend für viele sei hier das Beispiel von John Kerry, dem ehemaligen Sondergesandter des US-Präsidenten für das Klima, erwähnt, der Anfang Oktober 2024 ausführte, wie sehr die globalen Eliten darunter litten, dass die Meinungsbildung im Internet ihrer Kontrolle entzogen sei.[3] Das Regieren sei schwierig geworden, und die einstigen Richter über die Fakten seien weitgehend verschwunden. Die Menschen würden sich deshalb ihre eigenen Informationen suchen, wodurch man in einen Teufelskreis gelange. In seiner eigentlichen Kampfansage gegen den ersten Verfassungszusatz führte Kerry weiter aus, Demokratien auf der ganzen Welt kämpften derzeit mit dem Fehlen einer Art Wahrheitsschiedsrichter, und es gebe niemanden, der definiere, was wirklich die Fakten seien.
Sollte das Regieren tatsächlich schwieriger geworden sein, wie Kerry behauptet, so beweist das nur, dass die Meinungsäusserungsfreiheit gut funktioniert, denn in einer Demokratie geht die «Staatsgewalt vom Volke aus», und dessen Interesse ist es zuallerletzt, den Regierenden das Regieren einfach zu machen.
Das Beunruhigende an Kerrys Aussagen ist vor allem, dass es unter den «Eliten» offenbar ausgemacht ist, dass ihnen die Rolle des gewünschten Schiedsrichters zusteht. Vom freien Wettbewerb der Meinungen und Ideen soll abgerückt werden. An seine Stelle soll eine Scheindemokratie treten, in der unten und oben vertauscht sind.
4.1. Kurze Geschichte der Zensur
Es ist davon auszugehen, dass bereits in der Antike Zensur geübt wurde. Dies, obwohl beispielsweise aus der Römerzeit trotz des hohen Alphabetisierungsgrads kaum Zensurvorschriften überliefert worden sind. Solche waren wohl ohne Massenmedien auch nicht nötig, da es genügte «Unruhestifter» einzeln und ohne grosses Aufheben – selbst auf reinen Verdacht hin – auszuschalten. Gleichwohl lässt sich beispielsweise das Verbot von Spottversen im Zwölftafelgesetz von 450 v. Chr. oder die möglichst vollständige Vernichtung des Andenkens einer in Ungnade gefallenen Person (damnatio memoriae) als Form der Zensur qualifizieren. Auch auf religiösem Gebiet gab es strenge Gesetze gegen die Verbreitung von Magie und einzelner Kulte, beispielsweise nach dem Auftreten des Christentums.
Einmal an die Macht gelangt nutzte Letzteres in der Spätantike die Gelegenheit zur Zerstörung heidnischer Kultur. Diesem Furor viel vor allem auch Literatur, die in scheinbarem oder tatsächlichem Widerspruch zum christlichen Glauben stand, zum Opfer.
Mit Erstarken der Machtposition der katholischen Kirche wuchs auch deren Streben nach Kontrolle über das Geistesleben der Gläubigen. Zwar ist es ein grosses Verdienst der Klöster die von arabischen Gelehrten übersetzten Texte antiker Autoren erhalten zu haben, doch war man sich bewusst, welche Gefahren freiheitliches Gedankengut für die eigene Stellung mit sich bringt. Es galt darum, in eigenen Schulen die Kontrolle über die Lerninhalte zu behalten.
Mit Aufkommen des Buchdrucks genügte das nicht mehr. Nicht einmal Bücherverbrennungen halfen. Es brauchte neue Massnahmen. So wurde bereits 1559 der Index librorum prohibitorum («Verzeichnis der verbotenen Bücher») ins Leben gerufen, der erst 1966 nicht mehr weitergeführt wurde. Seine Wirkung war allerdings zweifelhaft. Im Zuge der Aufklärung galt es geradezu als erstrebenswert, Bücher und Pamphlete zu verfassen, die es auf den Index schafften.
Komplizierter gestaltete sich die Zensur in den reformierten Gebieten, da die Kirche dort mit den Landesfürsten eine engere Bindung einging. Im Heiligen Römischen Reich war der Reichshofrat für die Kontrolle des Schrifttums zuständig. Ihm unterstand die Kaiserliche Bücherkommission in Frankfurt am Main.
Während die amerikanische Unabhängigkeitserklärung noch allgemein von gottgegebenen unveräusserlichen Freiheiten sprach, hielt die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789 in Artikel 10 konkret fest:
«Niemand soll wegen seiner Meinungen, selbst religiöser Art, beunruhigt werden, solange ihre Äusserung nicht die durch das Gesetz festgelegte öffentliche Ordnung stört.»
Es waren allerdings nur wenige Jahre, in denen die Bürger Frankreichs ihren Meinungen freimütig Ausdruck geben durften. Während der «grande terreur» genügte der Vorwurf reaktionärer Machenschaften, um aufs Schafott geschickt zu werden. Es gab nicht einmal die Möglichkeit, sich zu verteidigen.
Nachdem man sich der Monarchie entledigt und den König durch einen Kaiser ersetzt hatte, führte dieser umgehend strenge Zensurgesetze ein. Napoleon wusste um die Bedeutung der öffentlichen Meinung. Wie schon Cäsar, für dessen Reinkarnation er sich hielt, wachte er peinlich genau über die Berichterstattung über seine Schlachten. Zur Sicherheit redigierte er die meisten Bulletins gleich selbst.
Nach Napoleons zweiter Verbannung auf die Insel St. Helena gärte in ganz Europa eine Stimmung gegen die alte, meist monarchische Herrschaft. Die Menschen wünschten sich mehr von jenen persönlichen Freiheiten, für die in Amerika und Frankreich gekämpft wurde. Das revolutionäre Feuer schwelte.
Vor allem in den deutschen Burschenschaften verbanden sich diese Ideen mit dem Wunsch nach einem vereinigten Vaterland. Nach der Ermordung des Schriftstellers und russischen Generalkonsuls August von Kotzebue durch den Theologiestudenten Karl Ludwig Sand 1819 fassten Vertreter der einflussreichsten Staaten des Deutschen Bunds im böhmischen Karlsbad auf Drängen des österreichischen Aussenministers und späteren Staatskanzlers Klemens Wenzel Lothar von Metternich repressive Obrigkeitsmassnahmen, die sich gegen die deutsche Nationalbewegung und gegen liberale Forderungen nach Verfassung richteten. Die Burschenschaften wurden verboten, die Freiheit der Lehre an den Universitäten und die Meinungsfreiheit beschränkt und eine allgemeine Zensur eingeführt. Als Grund wurde der Schutz vor Demagogen angeführt. Es wurden Äusserungen, Texte, Bilder, ja sogar Grabsteininschriften fast lückenlos zensuriert. Kontrolliert wurden insbesondere Büchergeschäfte und Verkaufsstellen von Bild- und Druckwerken. Als anstössig galten laut Richtlinien vor allem Angriffe auf die Religion, insbesondere auf die katholische, abträgliche Äusserungen gegen den österreichischen Monarchen, seine Familie und seine Regierung, Schmähungen ausländischer Staatsoberhäupter sowie sittenwidrige Äusserungen. In den 1840er Jahren initiierten Literaten, Journalisten und Künstler eine Welle von Beschwerden und Petitionen gegen die staatliche Zensur, die bis 1848 nicht abriss. Am 15. März 1848 hob Ferdinand I. schliesslich die Pressezensur auf.[4]
Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Zensurbestimmungen in Europa gelockert. Auf die Verhältnisse während der folgenden Kriege kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Es soll darum die Feststellung genügen, dass der Kampf um die öffentliche Meinung in der einen oder anderen Form eine Konstante der Geschichte bildet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Kodifizierung von Menschenrechten zu denen die Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit unbestreitbar gehört einen eigentlichen Boom, wie die nachfolgende (unvollständige) Aufstellung zeigt.
4.2. Rechtsquellen
Land | Deutschland | Schweiz | Österreich |
Rechtsquelle | Grundgesetz (1949) | Bundesverfassung (1848/1999) | Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (1867) |
Bezeichnung / Marginalie | Kein Titel | Meinungs- und Informationsfreiheit | Schlagworte:
Meinungsfreiheit, Zensurverbot, Pressefreiheit, Konzessionssystem, Zensur |
Artikel | 5 | 16 | 13 |
Text | (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äussern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. |
1 Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist gewährleistet.
2 Jede Person hat das Recht, ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten. 3 Jede Person hat das Recht, Informationen frei zu empfangen, aus allgemein zugänglichen Quellen zu beschaffen und zu verbreiten. |
Jedermann hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äussern.
Die Presse darf weder unter Censur gestellt, noch durch das Concessions-System beschränkt werden. Administrative Postverbote finden auf inländische Druckschriften keine Anwendung. |
Organisation | Uno | Europarat | Europäische Union |
Rechtsquelle | Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) | Europäische Menschenrechts-konvention EMRK (1950) | Charta der Grundrechte der Europäischen Union (feierliche Proklamation 2000) |
Bezeichnung / Marginalie | Kein Titel | Freiheit der Meinungsäusserung | Meinungsäusserung und Informationsfreiheit |
Artikel | 19 | 10 | 11 |
Text | Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäusserung; dieses Recht schliesst die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten. | 1. Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. Dieser Artikel hindert die Staaten nicht, für Hörfunk-, Fernseh- oder Kinounternehmen eine Genehmigung vorzuschreiben.
2. Die Ausübung dieser Freiheiten ist mit Pflichten und Verantwortung verbunden; sie kann daher Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung. |
(1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.
(2) Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet. |
4.3. Abwehrrecht gegen den Staat
Wie alle Freiheitsrechte ist auch die Meinungsäusserungsfreiheit ein Abwehrrecht gegen staatliche Zwangsmassnahmen. Dazu das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 7,198 ff.):
«Die Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat; in den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes verkörpert sich aber auch eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt. […]»
Auch nach Ansicht des Schweizerischen Bundesgerichts ist die Meinungsäusserungsfreiheit «unentbehrlicher Bestandteil der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung des Bundes» und damit «Voraussetzung für die Ausübung anderer Freiheitsrechte.» (BGE 96 I 219, 224 Nöthiger).
Nach klassischer Lehre wird die Meinungsäusserungsfreiheit ausschliesslich als Recht gegenüber dem Staat aufgefasst. An dieser Meinung ist m.E. festzuhalten. Strafmassnahmen durch einen Arbeitgeber, der sich durch eine Meinungsäusserung in sozialen Medien verletzt fühlt, oder einen Reputationsschaden befürchtet, können zwar den Charakter von Zensur annehmen, sind aber gleichwohl anders zu behandeln, da hier noch privatrechtliche Vertragsverhältnisse bedeutsam sind.
Was die reine Abwehrfunktion des Grundrechts auf freie Meinungsäusserung angeht, ist ein gewisser Wandel festzustellen. Bereits in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhundert konstatierte das Bundesgericht einen bedingten Anspruch auf die Benützung öffentlichen Grundes Zwecks Ausübung dieses Grundrechts. Mag man diesen Schritt, der letztlich allen Trägern der Meinungsäusserungsfreiheit nützt, noch begrüssen, ist ein aktives Eingreifen des Staates in den «freien Markt der Ideen», etwa durch finanzielle Presse- und Medienförderung, abzulehnen, weil es ein Ding der Unmöglichkeit ist, staatliche Gelder «gerecht» zu verteilen. Auch die Unterscheidung in Qualitätsmedien und andere ist nur ein untauglicher Versuch, an staatliche Gelder zu kommen. Gerade weil die Meinungsäusserungsfreiheit für das Funktionieren der Demokratie von zentraler Bedeutung ist, hat sich der Staat jeglicher Einmischung zu enthalten.
Das Grundrecht des Art. 5 GG schützt nicht nur das Äussern einer Meinung als solches, sondern auch das geistige Wirken durch die Meinungsäusserung.»
4.4. Klare Grenzen mit gesetzlicher Grundlage
«Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.» Dieser Satz entspricht Artikel 5, Absatz 1 der Schweizerischen Bundesverfassung. Das darin verankerte Legalitätsprinzip findet sich in allen modernen Rechtsstaaten. Was die schweizerische Lösung besonders auszeichnet, ist die Betonung, dass dem staatlichen Handeln Grenzen gesetzt sind. Das Legalitätsprinzip garantiert den Menschen Freiräume, in die der Staat nicht eindringen darf.
In einer unsterblichen Grundsatzrede im Unterhaus führte der englische Staatsmann William Pitt der Ältere (1708 – 1778) aus, was Freiheit des Einzelnen – selbst in einer Monarchie! – bedeutet:
«Der ärmste Mann in seiner Hütte kann aller Gewalt der Krone Trotz bieten. Das Haus mag baufällig sein; sein Dach mag wanken; der Wind mag hindurchpfeifen; das Unwetter mag eindringen und der Regen mag eindringen – aber der König darf nicht eindringen; all seine Gewalt darf es nicht wagen, die Schwelle dieser zerfallenen Wohnstatt zu überschreiten.»
Das Legalitätsprinzip legt fest, dass die staatliche Verwaltung ausschliesslich auf Grund von Gesetzen ausgeübt werden darf. Das bedeutet, dass jeder eingeleitete Verwaltungsakt durch den Gesetzgeber gedeckt sein muss. Und zwar muss jede Norm «so präzise formuliert sein, dass der Bürger sein Verhalten danach einrichten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann.»[5] Das Legalitätsprinzip dient also dazu das Handeln der Verwaltung für den Bürger vorhersehbar und berechenbar zu machen.
Die Meinungsäusserungsfreiheit war noch nie grenzenlos. Einige Beschränkungen liegen offensichtlich im übergeordneten öffentlichen Interesse und stellen darum keine Bedrohung dieses Freiheitsrechts dar – sofern sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit beachten. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang:
- Schutz der persönlichen Ehre vor Beleidigung oder Verleumdung sowie Verbot des unlauteren Wettbewerbs durch Herabsetzung der Ware oder Dienstleistung eines Konkurrenten
- Schutz als geheim klassifizierter Informationen,
- Schutz der Sittlichkeit und des Jugendschutzes
- übermässige Kritik an eigenen oder ausländischen höchsten Staatsvertretern (in der Schweiz nur Letzteres)
- Schutz der öffentlichen Sicherheit
Insbesondere der letzte Punkt macht die Schwierigkeiten einer generell-abstrakten Abgrenzung deutlich. Während in den USA der Berufung auf die «national security» kaum Grenzen gesetzt sind, sind die Behörden in Europa diesbezüglich zurückhaltender. Allerding waren die Regierenden schon immer enorm kreativ, wenn es darum ging Begründungen für Zensurmassnahmen zu erfinden. Die gleiche geistige Flexibilität tritt auch dann zu Tage, wenn es darum geht das Öffentlichkeitsprinzip zu unterminieren, wenn also Informationen zurückgehalten werden, obwohl sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssten.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang noch, dass in Deutschland gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung besonders strafbeschwert sind. Mit dieser Bestimmung sollte verhindert werden, dass die öffentliche Auseinandersetzung unnötig emotionalisiert und polarisiert wird. Aus Schweizer Sicht mutet das seltsam an, da hierzulande Politiker mehr Kritik hinnehmen müssen als Normalsterbliche, was auf eine tiefere demokratische Tradition zurückzuführen ist.
4.5. Erlaubt ist, was nicht verboten ist.
Herausragende Bedeutung kommt dem Legalitätsprinzip auf dem Gebiet des Strafrechts zu. Zwar wussten bereits die alten Römer um die Bedeutung schriftlicher Gesetze, doch im Verlaufe des Kaiserreichs verlor dieses Postulat an Bedeutung. An seine Stelle trat der Wille der Herrschenden, die sich mit der Zeit als Götter, als gottgleich oder wenigstens als Stellvertreter Gottes auf Erden betrachteten. Dieses Selbstverständnis gipfelte schliesslich in dem Ludwig XIV zugeschriebenen Ausspruch «Der Staat bin ich!».
Dieser staatlichen Allmacht Grenzen gesetzt zu haben, ist eines der zentralen Verdienste der Aufklärung. Es wurde unter anderem erreicht durch Amtszeiten, Gewaltentrennung und -hemmung, durch Verfassungen, in denen Grund- und Freiheitsrechte verbrieft sind, und unabhängige Gerichte.
In einem aufgeklärten Rechtsstaat, wird darum nur das als Verbrechen (crimen) verfolgt und bestraft, was der Gesetzgeber zur Straftat erklärt hat. Das lateinische Rechtssprichwort «nulla poena sine lege» («keine Strafe ohne Gesetz») bringt das schön zum Ausdruck. Die Langfassung – «nullum crimen, nulla poena sine lege scripta, praevia, certa et stricta» – beinhaltet weitere wichtige Einzelprinzipien
- Notwendigkeit der Schriftlichkeit (nulla poena sine lege scripta)
- Notwendigkeit der Fixierung vor Begehung der Tat (nulla poena sine lege praevia)
- Notwendigkeit hinreichender Klarheit des Gesetzes (nulla poena sine lege certa)
- Verbot von Analogie zu Lasten des Täters über den Wortlaut des Gesetzes hinaus. Dieses muss restriktiv angewendet werden. (nulla poena sine lege stricta)
Mit ihrem vermeintlichen Kampf gegen so genannte «Fake News» sowie «Hass und Hetze», die erklärtermassen auch auf Handlungen «unterhalb der Strafbarkeitsgrenze» abzielen, tritt die gegenwärtige deutsche Bundesregierung den Gesetzlichkeitsgrundsatz im Strafrecht mit Füssen.
In einem Rechtsstaat ist erlaubt, was nicht verboten ist. Eine Regierung, die dieses einfache Rechtsprinzip zu Ungunsten der rechtsunterworfenen Menschen verletzt, begibt sich auf Abwege in voraufklärerische Zeiten. Anlass zu Sorge gibt in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass diesem spätabsolutistischen Gehabe kaum öffentliche Opposition entgegentritt. Ja selbst Urteile des Bundesverfassungsgerichts, wonach Kritik – auch harte und polemische! – am System ein fundamentaler Bestandteil des Grundrechtestaates und die Regierung sich diese gefallen lassen müsse, werden von ideologisch handelnden Magistraten weitgehend ignoriert und von den Medien bloss schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Damit mangelt es bereits an der ersten Voraussetzungen, die Zaccharia Giacometti 1954 in seiner berühmten Festrede «Die Demokratie als Hüterin der Menschenrechte»[6] als Grundlage einer «reifen Demokratie» definierte:
«Erstens muss die Freiheitsidee im Individuum und im Volke lebendig und das rechtsstaatliche Naturrecht zwar nicht als Recht, aber als ethische Kraft wirksam sein; es müssen mit anderen Worten freiheitliche Wertvorstellungen herrschen, aber nicht als vom Augenblick geborene euphoristische Stimmungen oder opportunistische Eingebungen, sondern als tiefe politische Überzeugungen, die das Bewusstsein des Volkes dauernd beherrschen und von den treibenden Kräften des politischen Lebens getragen werden.»
5. Ausdruck eines hierarchischen Verhältnisses
Seit sich die Menschheit in Regierende und Regierte (in «unten» und «oben») unterteilen lässt, streben die Ersteren danach, die letzteren zu führen. Sie nutzen dazu die mannigfaltigen Formen der Kommunikation. Selbst angesichts überragender Machtpositionen wussten die Herrschenden – zumindest die Klugen unter ihnen – um die Wichtigkeit der öffentlichen Meinung. Die erfolgreichsten unter ihnen waren seit Julius Cäsar und lange davor immer auch Meister der PR.
Wer zensiert, erhebt sich über die Menschen, die sich frei äussern und ihre Informationsquellen frei wählen wollen. Da die Meinungsäusserungsfreiheit ein zentrales Postulat der Aufklärung und Demokratie ist, ist der Drang der Regierenden nach Lenkung der öffentlichen Meinung durch Zensurmassnahmen als Streben in voraufklärerische Zeiten zu qualifizieren.
Wo alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, hat niemand das Recht dieses Volk durch Lenkung der freien Rede zu bevormunden – es sei denn, solche Massnahmen wären demokratisch legitimiert und kämen nur in ausserordentlichen Situationen etwa im Kriegsfall zur Anwendung. Und auch dies nur vorübergehend und restriktiv – also niemals weitergehend, als zur Erreichung des angestrebten Ziels unbedingt nötig.
Unter keinen Umständen darf diejenige Behörde, der im Falle einer ausserordentlichen Lage ausserordentliche Kompetenzen zufallen diese ausserordentliche Lage selbst ausrufen. Das verbietet schon die Gewaltentrennung.
5.1. Zensur ist immer «gut gemeint»…
Nie sind Politiker so kreativ, wie wenn es darum geht, höhere Steuern oder Eingriffe in die freie Willensbildung zu begründen. Während Ersteres dem Erlangen und Ausbauen von Macht dient, zielt Letzteres auf ihren Erhalt. Nur den bereits Mächtigen steht das Mittel der Zensur zur Verfügung.
Die katholische Kirche begründete das Verbot bestimmter Bücher mit ihrem Bestreben die Gläubigen vor «Verwirrung und Sünde» zu schützen.
Die Zensoren Metternichs hatten sich an detaillierte Vorschriften zu halten, die darauf abzielten, «die Manifestation von Ideen zu hindern, die den Frieden des Staates, seine Interessen und seine gute Ordnung verwirren.»
Auch heute sehen sich viele Regierungen gezwungen, jene Menschen, von denen alle Staatsgewalt ausgeht, vor dubiosen Gefahren zu schützen. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang vor allem das Schlagwort «Hass und Hetze» – eine raffinierte Alliteration, die auf gefährliche Weise die Trennung von Meinung und Straftatbestand verwischt. Denn Hass ist eine zutiefst im menschlichen Bewusstsein verankerte Gefühlsregung, die nicht verboten werden kann, so sehr dies auch wünschenswert erscheinen mag. Niemand hat ein Recht darauf, nicht gehasst zu werden. Und ob jemand gehasst wird, hängt in der Regel auch mit dem jeweiligen Verhalten zusammen.
Etwas anders verhält es sich mit der Hetze. Diese kann sehr wohl strafbar sein, wenn sie sich etwa in einem Gewaltaufruf äussert. Auch der Tatbestand der «Volksverhetzung», eine deutsche Eigenart, setzt für eine Bestrafung eine gewisse Intensität und Ernsthaftigkeit des Hetzens voraus. Der inflationäre Einsatz dieses Vorwurfs schadet der Absicht des Gesetzgebers, der mit Sicherheit keine politische Waffe schaffen wollte.
Alter Wein in neuen Schläuchen ist auch die Absicht gewisser Regierungen, die Menschen vor so genannten «Fake News» schützen zu wollen. Genau wie die Kirche im Mittelalter masst sich eine selbsternannte Elite das Recht an, ex cathedra über richtig und falsch zu entscheiden. In der in der Einleitung erwähnten Aussage brachte das John Kerry ungeschminkt zum Ausdruck: Die Menschen sollen daran gehindert werden, den Plänen der Regierenden Widerstand entgegensetzen zu können. Freiheitlich-republikanische Staatsordnung, ade!
5.2. Zensur scheiterte – bisher…
Nicht nur Politiker und Zensoren sind kreativ, auch den Zensierten fehlt es nicht an Fantasie, und in aller Regel sind sie ihren Verfolger stets einen Schritt voraus. Schon in der Antike arbeiteten Autoren mit Fabeln, um die Mächtigen in Verlegenheit zu bringen, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, man habe sie direkt beleidigt. Diese Tradition wurde im Frankreich des 17. Jahrhunderts von Jean de La Fontaine perfektioniert.
Eine der mächtigsten Waffen der Unterdrückten gegen ihre Peiniger ist der Humor, der in den schlechtesten Zeiten grandiose Blüten bildet, wie die Flüsterwitze aus der Zeit des Dritten Reiches oder während Stalins Herrschaft belegen.
Manche Autoren und Komponisten machten sich auch einen Spass daraus, die Zensoren an der Nase herumzuführen, indem sich mit verstecken Anspielungen und Doppeldeutigkeiten arbeiteten. Jene Zensoren, die Verdis «Ballo in Mascera» vom Hof des schwedischen Königs zum Boston verlegen liessen wussten freilich um die Sinnlosigkeit und Lächerlichkeit ihres Tuns.
Auch harmlosen Zeichen oder Redewendungen kann eine stark subversive Kraft erwachsen. Wenn die Menschen dadurch erst einmal realisieren, wie viele sie sind.
Zensur liess sich bisher nie lückenlos durchsetzen. Wie gestautes Wasser fanden auch Menschen immer Wege, um der Obrigkeit eine lange Nase zu drehen. Wo der Verkauf von Büchern offiziell verboten war, wurden sie eben im Verborgenen weitergegeben. Selbst das Verbot, Kinder in bestimmten Sprachen zu unterrichten, wurde immer wieder umgangen.
Die Arme der Regierenden waren zwar mächtig, aber nicht allmächtig.
6. Das Internet eröffnet neue Dimensionen
Die Anweisungen[7] die Graf Josef Sedlnitzky, Leiter der Polizei- und Zensurhofstelle und des Sonderreferats für Polizei, Zensur und Presse, das direkt Metternich unterstellt war, seinen Mannen mit auf den Weg gab, hätten klarer nicht sein können:
«Kein Lichtstrahl, er komme, woher er wolle, soll in Hinkunft unbeachtet und unerkannt in der Monarchie bleiben, oder seiner möglichen nützlichen Wirksamkeit entzogen werden; aber mit vorsichtiger Hand sollen auch Herz und Kopf der Unmündigen vor den verderblichen Ausgeburten einer scheusslichen Phantasie, vor dem giftigen Hauche selbstsüchtiger Verführer, und vor den gefährlichen Hirngespinnsten verschrobener Köpfe gesichert werden.»
Dass das mit dem Lichtstrahl eine masslose Übertreibung war, wusste natürlich auch Graf Sedlnitzky. Mit dieser Anweisung sollte denn auch vor allem eine klare Richtung vorgegeben werden: Die Massnahmen sollten gründlich durchgesetzt werden. Und es war ein Kampf um Herzen und Gedanken, um Fantasie und Hirngespinste. Von da bis zu den Aussagen Josef Stalins war nur noch ein kurzer Weg:
«Gedanken sind mächtiger als Waffen. Wir erlauben es unseren Bürgern nicht, Waffen zu führen – warum sollten wir es ihnen erlauben, selbständig zu denken?»[8]
«Deshalb ist jeder, der versucht, der versucht, diese Einheit des sozialistischen Staates zu zerstören, der danach strebt, einzelne Teile und Nationalitäten von ihm abzutrennen, ein Feind, ein geschworener Feind des Staates, der Völker der UdSSR- Und wir werden jeden dieser Feinde vernichten, sei er auch ein alter Bolschewik, wir werden seine Sippe, seine Familie komplett vernichten. Jeden, der mit seinen Taten und in Gedanken einen Anschlag auf die Einheit des sozialistischen Staates unternimmt, werden wir erbarmungslos vernichten. Auf die Vernichtung aller Feinde, ihrer selbst, ihrer Sippe -bis zum Ende!»[9]
6.1. Der Wunsch nach totaler Kontrolle
Es ist ein alter Traum der Menschheit, oder zumindest mancher Menschen, Verbrechen zu verhindern, bevor sie sich ereignen. Voraussetzung dazu ist die Kenntnis über die Gedanken der Menschen – und damit die Kontrolle darüber. Das Internet und die digitalisierte Welt eröffnen in dieser Hinsicht ungeahnte Möglichkeiten. Dabei bleibt die Grundfrage bestehen: Wer kontrolliert, und wer wird kontrolliert. Wo derjenige kontrolliert wird, von dem angeblich alle Staatsgewalt ausgeht, kann nicht mehr von einer Demokratie gesprochen werden.
Das Internet und vor allem das World Wide Web war das Versprechen, alle Menschen auf unserem Planeten gleichberechtigt miteinander zu verbinden. Die schier unendliche Menge an Information liess eine Kontrolle durch staatliche Behörden als unmöglich erscheinen. Doch das erwies sich rasch als Fehleinschätzung.
Statt der «Schuldigen» wurden die Anbieter von Internetdienstleistungen ins Visier und in die Pflicht genommen. Sie mussten Daten herausrücken, und mittlerweile drohen ihnen sogar hohe Bussen, wenn sie Inhalte nicht «moderieren», also Zensur im Sinne der Behörden üben. Dass diese Bestrebungen in krassem Widerspruch zu Verfassungen und Menschenrechtserklärungen stehen, scheint niemanden zu kümmern. Im Gegenteil, diese Angriffe auf die Meinungs- und Informationsfreiheit erfolgen angeblich «zum Schutz der Demokratie.»
Selbst die digitale Kommunikation zwischen Privatpersonen soll künftig ohne Anfangsverdacht überwacht werden können. Digitale Spuren im Netz haben für die Behörden den unschätzbaren Vorteil, dass sie auch digital verarbeitet werden können. So brachte das Internet statt grenzenloser Freiheit, grenzenlose Kontrolle.
Diese Entwicklung sollte alle freiheitsliebenden Menschen mit Sorge erfüllen, weil die noch nicht lange zurückliegende «Corona-Pandemie» ebenso unmissverständlich wie drastisch vor Augen führte, wie weit die Regierenden zur Erlangung ihrer Ziele zu gehen bereit sind. Wer den Besuch von Theatern, Kinos und Restaurants willkürlich von einem medizinischen Eingriff abhängig macht, wird nicht zögern, sozial genehmes Verhalten auch in anderen Bereichen mit QR-Codes zu erzwingen.
6.2. Private Handlanger
Selbst so gut organisierte Organisationen wie die Geheimdiensten eines Walsinghams oder Fouchés, das KGB, die Gestapo oder die Stasi wären niemals so effektiv gewesen ohne die Tausenden von Zuträgern, die sich dem jeweiligen Regime andienten in der Hoffnung, dadurch die eigene Position zu verbessern oder wenigstens zu sichern. Auf dieses altbewährte System setzte nun auch die EU, mit dem Digital Services Act, der in Deutschland selbstredend vorbildlich umgesetzt wird. So sollen fortan so genannte «Trusted Flagger» im Auftrag der Bundesregierung das Internet nach unliebsamen Meinungen durchsuchen. Auf diese Weise potenziert der Staatsapparat seinen Einfluss auf die Meinungsäusserung, die gemäss Grundgesetz und zahlreichen völkerrechtlichen Kodifizierungen frei erfolgen sollte.
7. Wo bleibt der Aufschrei?
Nun sollte man meinen, dass sich jene, die am meisten von der Meinungsäusserungsfreiheit profitieren, weil das Verbreiten von Informationen und Meinungen ihr Beruf ist, gegen jeden Versuch, dieses Recht zu beschneiden reflexartig Widerstand leisten. Doch das passiert nicht. Im Gegenteil, landauf, landab wird nicht nur betont, dass die Meinungsäusserungsfreiheit nicht grenzenlos sei, es wird sogar fieberhaft nach Gründen gesucht, um sie zu beschränken. Selbst Verbote von Sendern und Publikationen werden begrüsst.
So genannte «Qualitätsjournalisten» fordern, dass die Pressefreiheit wegen Hass und Hetze in den sozialen Netzwerken eingeschränkt werden müsse. Dies vor allem dort, wo eine seriöse Berichterstattung nicht mehr stattfinde. Empörung herrscht vor allem über Blogger, die freie Meinungsäusserung und Pressefreiheit falsch interpretierten. Oft handle es sich dabei Personen, die von Journalismus wenig Ahnung hätten. – Was für eine Arroganz!
Worum es eigentlich geht, wir rasch klar, wenn man betrachtet, welche Art von Medienschaffenden mit Preisen überhäuft werden.
8. Kurzargumentarium
- Der Zensor erhebt sich über die Gesellschaft, das zerstört die Demokratie.
In einer Demokratie kontrollieren die Bürger die Regierung, nicht umgekehrt. Diese verfügt nur über jene Macht, die die Bürger ihr zugestehen.
- Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit sind unentbehrliche Grundlagen der Demokratie.
Der Staatsapparat darf urteilsfähigen und mündigen Bürgern nichts vorenthalten, was dies für nötig erachten, um Entscheidungen treffen zu können.
- Demokratische Willensbildung muss frei sein. Der Souverän darf nicht zensiert werden.
Der Souverän ist nicht mehr souverän, wenn er von seinen Untergebenen gegängelt wird. In einer freien Gesellschaft kann es keine absolute Wahrheit geben. Wohl aber eine Annäherung daran. Diese muss im uneingeschränkten Austausch von Argumenten stattfinden.
- Das Recht der Bürger auf freie Äusserung ihrer Meinungen verpflichtet den Staat – unabhängig von deren Inhalt – zu einem Dulden.
Die beste Mediengesetzgebung ist keine Mediengesetzgebung. Wenn die Bürger sich äussern, hat der Staat zu schweigen.
- Sämtliche wichtigen Kodifikationen sind so klar und einfach gehalten, dass sie keiner Auslegung durch Politiker bedürfen.
Das Menschenrecht auf freie Meinungsäusserung ist denkbar einfach formuliert. Damit es auch Politiker und Verwaltungsfunktionäre verstehen können lauten die einschlägigen Bestimmungen: «Eine Zensurfindet nicht statt.», «Die Meinungs- und Informationsfreiheit ist gewährleistet.» oder «Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäusserung. Dieses Recht schliesst die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.»
- Mögen die angeführten Gründe noch so hehr sein, am Ende geht es dem Zensor um Kontrolle und Macht.
Wer bereits das «Machtmonopol» für sich beansprucht, darf nicht auch noch über die öffentliche und veröffentlichte Meinung herrschen.
- Auch die «Förderung» ausgewählter Medien ist ein Verstoss gegen die Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit.
Der Staat hat sich gegenüber allen Rechtunterworfenen neutral zu verhalten. Eine gerechte, das heisst politisch neutrale, Förderung einzelner Medien, was in der Regel finanzielle Unterstützung bedeutet, ist ein Ding der Unmöglichkeit.
[1] Aus der Präambel der Schweizerischen Bundesverfassung.
[2] Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/024656/2015-01-25/
[3] https://nypost.com/2024/10/02/opinion/john-kerry-says-first-amendment-is-the-enemy-as-elites-try-to-stamp-out-free-speech/
[4] Quelle: https://www.habsburger.net/de/kapitel/erste-erfolge-die-abschaffung-der-zensur
[5] BGE 109 Ia 273, E. 4d, S. 283. Dieser Auffassung ist ebenfalls der EGMR: Vukota-Bojić v. Schweiz, Rz. 74 und 77. (zitiert nach Wikipedia)
[6] https://www.zanetti.ch/?p=495245
[7] Zensurvorschrift vom 14. September 1810.
[8] Stalin zugeschrieben.
[9] Überliefert durch Georgi Dimitroff, bulgarischer Politiker, Mitgliede der Bulgarischen Kommunistischen Partei, von 1935 bis 1943 Generalsekretär der Komintern in Moskau.