Ein Kaleidoskop wider das Vergessen

Die Zeit heilt alle Wunden, heisst es. Annette Creft will verhindern, dass das auch für die Wunden gilt, die unsere Politikern und «Experten» mit ihren Massnahmen gegen die Corona-Pandemie geschlagen hat. Sie hat dazu ein Buch herausgegeben mit dem Titel «Wir vergessen nicht – was wir in der Coronazeit erlebt haben». Über 60 Personen schildern darin ihre Erlebnisse, aus einer Zeit, an die wir uns mittlerweile erinnern, als handelte es sich um ein Stück absurdes Theater.

Angesichts der Tatsache, dass das Versagen der politischen Klasse und ihrer Helfer in Kirche und Unterhaltungsindustrie zwar noch fetzenweise, aber doch immer klarer zu Tage tritt, werden bereits Stimmen laut, man müsse sich nun den Herausforderungen der Zukunft stellen und die Vergangenheit ruhen lassen. Ein Politiker forderte bereits eine Generalamnestie – nachdem sie noch vor Kurzem behaupteten, jede Massnahme sei rechtens gewesen. Wozu braucht ein Amnestie, wer sich nichts zu Schulden kommen liess?

Die gleichen Leute, die sich gerade von einem Gesetz «Demokratieförderung» versprachen, hatten kein Problem, als der Bundeskanzler Sätze äusserte wie: «Es darf keine roten Linien geben, das hat uns diese Pandemie nun wirklich gezeigt» oder: «Wir müssen immer bereit sein umzudenken, wenn die Umstände es erfordern.» – Solch plumper Dialektik hätte jeder Demokrat entgegentreten müssen! Das ist/wäre wehrhafte Demokratie. Denn ein Grundgesetz ist eine rote Linie, an die sich insbesondere der Regierungschef und seine Minister zu halten haben, und es ist in einer Demokratie garantiert nicht deren Aufgabe, unter Berufung auf ein vermeintlich nötiges Umdenken, geltendes Recht umzudeuten oder ausser Kraft zu setzen.

Der durch einen entfesselten Staat angerichtete Schaden ist enorm. Seine höchsten Vertreter spendeten nicht Trost und Zuversicht, sondern säten Angst und Zwietracht. Daran zerbrachen Freundschaften und Familien. Während der so genannten Corona-Pandemie wurden Grund- und Freiheitsrechte reihenweise verletzt. Dabei berief sich die Regierenden regelmäßig auf «übergeordnete Interessen» oder auf die Vielzahl von Menschenleben, die durch ihre Maßnahmen gerettet würden. Sie nahmen dabei einen unzulässige Güterabwägung vor. Unzulässig deshalb, weil die Menschenwürde unantastbar ist, und die Waagschale sich darum immer zu ihren Gunsten senkt. Es ist dem Staat kategorisch untersagt, den Wert von Menschenleben gegeneinander aufzuwiegen. Tut er es dennoch, verletzt er die Würde von Menschen.

Es ist Annette Crefts Verdienst, Geschichten aus jenen dunklen Tagen gesammelt und in gut lesbarer Form verfügbar gemacht zu haben. In ihrem nicht ganz 200 Seiten starken Buch werden teilweise groteske Szenen in öffentlichen Verkehrsmitteln oder am Arbeitsplatz geschildert. Mit brutaler Sachlichkeit beschreibt eine Frau den Leidensweg ihrer Mutter im Spital. Wir erinnern uns wieder an die Grosseltern, die Ihren Enkeln durch eine Plastikplane zuwinken mussten. Wir denken an das kleine Kind, dem eingeredet wurde, die Oma werde sterben, wenn sie sich zusammen im gleichen Raum aufhielten.

Solche Geschichten sind wichtig. Sie sind Teil der Erinnerungskultur und sie tragen dazu bei, die Forderung nach einer gründlichen Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der Zeitgeschichte zu verstärken. Denn bekanntlich brauchen Politiker manchmal öffentlichen Druck, um das Richtige zu tun.


Annette Creft ist Autorin und Texterin und bringt gern die Dinge auf den Punkt. In den sozialen Medien äußerte sie sich während der Coronazeit kritisch gegenüber den Maßnahmen und thematisierte die Spaltungstendenzen in Artikeln und Kommentaren. Als Autorin analysiert sie totalitäre Strukturen in der Gesellschaft. In ihrer Freizeit schwimmt sie gerne, kocht oder geht ihrem Hobby der Naturfotografie nach.