Vom amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman stammt der berühmte Ausspruch, wonach man in der Politik nicht reich werden kann, ausser man ist ein Gauner. Und von Ulrich Wickert, einer Ikone der Linken, wissen wir, dass man Gauner Gauner nennen muss. Und was ist es anderes als eine Gaunerei, wenn Politiker zur eigenen Bereicherung auch hierzulande immer schamloser in die Staatskasse greifen, nachdem sie die Bürger und Steuerzahler der Möglichkeit beraubten, ihrem Treiben Einhalt zu gebieten?
Auch wenn die Linken mit Blick auf Bananen, Löhne, Wohnungsmieten, Fluglärm und vieles mehr behaupten, sie wüssten, was fair und gerecht ist, in einer auf individueller Freiheit beruhenden Gesellschaft ist fair und gerecht, worauf sich urteilsfähige und mündige Parteien in freier Entscheidung einigen. Problematisch wird es also dann, wenn eine Seite getäuscht, genötigt oder übervorteilt wird. Oder wenn sie ihren Willen gar nicht äussern kann, weil sie vor vollendete Tatsachen gestellt wird.
Klares Verdikt des Volkes
Am 27. September 1992 war das Schweizer Stimmvolk an die Urne gerufen. Eine Gruppe St. Galler Studenten hatte – unterstützt vom damaligen Nationalrat und Präsidenten der Zürcher SVP Christoph Blocher – das Referendum gegen drei Vorlagen der Bundesversammlung ergriffen: Das Geschäftsverkehrsgesetz (GVG), das Infrastrukturgesetz und das Entschädigungsgesetz. Sämtliche Parolen im Abstimmungskampf lauteten entweder dreimal ja oder dreimal nein. Doch der Souverän wusste zu unterscheiden: Er nahm das GVG relativ knapp an, und verwarf die beiden anderen Vorlagen wuchtig. In diesen beiden ging es um Geld – für die Mitglieder des Parlaments. Die Botschaft hätte also deutlicher nicht sein können.
Mit dem unseren Politikern beim Erfinden neuer finanzieller Lasten für die Bevölkerung eigenen Elan beschlossen National- und Ständerat daraufhin, das Volksverdikt zu umgehen, indem man sich im Parlamentsgesetz die Kompetenz zur Festlegung der eigenen Bezüge übertrug und zur Sicherheit das Referendum explizit ausschloss. Ein Vorstoss von Nationalrat Alfred Heer (SVP, Zürich) auf Wiedereinführung wurde im Keim erstickt. Andere Kantone folgten dem Beispiel Bundesberns.
Im Ausland ist die Situation noch schlimmer. Und wenn Schweizer Politiker immer stärker das Völkerrecht bemühen um ihren (linken) Positionen zum Durchbruch zu verhelfen, dann hat das viel damit zu tun, dass die direkte Demokratie, die zum Masshalten zwingt, als lästig empfunden wird. Der Drang in die EU lässt sich weitgehend damit erklären.
Österreich – Politik als Geschäftsmodell
Obwohl mir die österreichische Regierung von ÖVP und FPÖ recht sympathisch war, habe ich mich doch gefragt, wie es möglich sein konnte, dass die konservative Österreichische Volkspartei, die seit 1987 ohne Unterbrechung in der Bundesregierung vertreten war, plötzlich als Liste „Sebastian Kurz – Die neue Volkspartei (ÖVP)“ zu den Wahlen antrat. Wie war es möglich, dass eine Partei, die seit über 70 Jahren eine der dominierenden Kräfte des Landes ist, von einem gut 30jährigen Mann praktisch im Handstreich übernommen werden konnte?
Wie mir ein Kenner der österreichischen Politik erklärte, ging es dabei weniger um Politik als um handfeste wirtschaftliche Interessen. Der österreichische Staat zahlt nämlich rund 209 Millionen Euro an die Parteien. Das sind 32,6 Euro pro Stimmbürger. Hinzu kommen zahlreiche lukrative Posten im Staat und in staatsnahen Unternehmen. Darauf wollte man nicht verzichten. Und so akzeptierte man Kurz der Not gehorchend. Immerhin stellte man sich einer Wahl.
Deutschland – den Souverän fürs Abstrafen bestrafen
In Deutschland wählten die Parteien einen anderen Weg. Nach der letzten Wahl stellten CDU/CSU und SPD fest, dass sie zwar noch mit Ach und Krach eine Regierung bilden können, aber dermassen viele Wähler verloren haben, dass auch die staatlichen Zuschüsse deutlich zurückgingen.
Die Union verlor 8,5 Prozentpunkte. Die SPD 5,2, was einen Rückgang der Parteienfinanzierung um etwa 1,6 Millionen Euro zur Folge hätte. – Mit Betonung auf „hätte“, denn in einem Staat, in dem die Bürgerinnen und Bürger nichts zu sagen haben und nur zu zahlen haben, ändern die Parteien einfach das Gesetz. Und aus den 165 Millionen Euro, die die Parteien des Bundestags bisher vom Staat erhielten, wurden schwuppdiwupp 190 Millionen Euro. Man fragt sich nicht, warum man immer von weniger Menschen unterstützt wird, man hält sich einfach an der Staatskasse schadlos. Ja, man schuf sogar einen Automatismus im Gesetz, um künftigen Diskussionen ausweichen zu können. Ist schliesslich niemand da, der sich wehren könnte.
Gaunerei auch im Kanton Zürich
Auch im Kanton Zürich, wo man bis zum 27. September 1998 sogar das obligatorische Gesetzesreferendum kannte, der Souverän also über jedes Gesetz abstimmte, schuf der Kantonsrat im Kantonsratsgesetz die Grundlage für einen – dem Referendum entzogenen – «Kantonsratsbeschluss», der die Höhe der eigenen Bezüge regelt. Am 27. Januar 2020 beschloss eine Kantonsratsmehrheit, sich eine substantielle Erhöhung der eigenen Bezüge zu genehmigen.
Eine Parlamentarische Initiative von Stefan Schmid (SVP, Niederglatt) fordert, Höhe und Art der Entschädigungen zumindest dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Man braucht kein Prophet zu sein, um das Schicksal dieses Vorstosses im Parlament vorherzusagen. Doch selbst bei einer Annahme würde die Bestimmung frühestens in 15-20 Jahren Wirkung entfallen.
Besonders entschlossen und auf eigene Rechnung kämpft Kantonsrat Hans-Peter Amrein (SVP, Küsnacht) vor dem Verwaltungsgericht gegen den Parlamentsbeschluss, dem er die rechtliche Legitimation abspricht. Ob seine Beschwerde Erfolg haben wird, ist leider zu bezweifeln, denn auch unsere Richter beziehen – wie Regierungsräte und die Angestellten der kantonalen Verwaltung – Saläre, über deren Höhe nie abgestimmt wurde…
Die Frage nach dem richtigen Lohn für Politikerinnen und Politiker ist so schwierig zu beurteilen, wie jene nach der richtigen Besteuerung. Umso wichtiger ist darum das ständige Ringen der verschiedenen Positionen. Wer behauptet, ohne hohe Löhne, finde man kein gutes Personal, soll erklären, warum dann rund 23 Mal mehr Personen für den Nationalrat kandidieren, als Sitze zur Verfügung stehen. Tatsache ist auch, dass die Wahl in die Exekutive von Kantonen oder grösseren Städten für die meisten Kandidaten lohnmässig und mit Blick auf die Pensionskasse eine substantielle Verbesserung mit sich bringt.
Es braucht eine Volksinitiative mit Rückwirkung
Meiner Einschätzung nach ist auf parlamentarischem Weg keine Verbesserung zu erreichen. Parlamente geben nie freiwillig Macht ab – schon gar nicht erschlichene. Sie müssen dazu gezwungen werden. Von der Instanz, von der alle Staatsmacht ausgeht: Vom Souverän. Es braucht darum eine Volksinitiative, die die Regelung der Parlamentarierbezüge wieder dem (fakultativen) Referendum unterstellt.
Persönlich würde ich sogar noch weiter gehen und eine Sistierung des Kantonsratsbeschlusses vom 27. Januar 2020 fordern, bis das Stimmvolk einer Regelung zustimmt. Schliesslich stellt diese einen Raubzug auf das Portemonnaie der Steuerzahler dar. Raub, nicht Diebstahl! Denn die Geschädigten wurden zuerst widerstandsunfähig gemacht.
Von den Linken lernen!
Man mag einwenden, Initiativen mit Rückwirkung seien rechtsstaatlich nicht ganz sauber. Doch in diesem Fall gilt es einer rechtsstaatlich weit gefährlicheren Erosion der demokratischen Ordnung entgegenzutreten. Oder, um es in der Sprache der Linken zu sagen: Es herrscht demokratiepolitischer Notstand!
Im Übrigen überwies die Bundesversammlung schon mehrfach Initiativen mit Rückwirkung zur Volksabstimmung: Beispielsweise wurde mit der Initiative gegen neue Kampfflugzeuge (F/A-18) die Wirkung des kurz zuvor vom Souverän abgelehnten Rüstungsreferendums erzielt, was für zulässig gehalten wurde.
Dass es die «Classe politique» nicht dabei bewenden lässt, alle 10 bis 20 Jahre in die Staatskasse zu greifen, ist offensichtlich. Sie will die direkte Demokratie, die ihr seit langem ein Dorn im Auge ist, in ihrem Wesen zerstören. Der nächste brandgefährliche Angriff steht uns in Form des Rahmenabkommen bevor, der darauf abzielt, uns in allen wirtschaftlichen Belangen das Selbstbestimmungsrecht zu nehmen. Danach entscheiden Funktionäre und Richter mit Funktionärsgesinnung.
Initiativen mit Rückwirkung mögen unschön sein, aber manchmal muss man zu unschönen Mitteln greifen.
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Verfasst für den Zürcher Boten vom 21. Februar 2020.