E-Voting ist Gift für die Demokratie

Kürzlich schaute ich zusammen mit meiner Frau den erfolgreichsten Schweizer Film des Jahres 2017: «Die göttliche Ordnung». Auf amüsante und zugleich zum Nachdenken anregende Art und Weise wird die Geschichte eines Dorfes erzählt, in dem die Frauen für ihr Stimm- und Wahlrecht kämpfen, das am 7. Februar 1971 durch eine eidgenössische Abstimmung schliesslich eingeführt wurde. Ganz am Schluss ist zu sehen, wie Frauen wenige Monate später zum ersten Mal ihre Stimme abgaben. Mit sichtlicher Freude und dem Stolz, als Teil des Souveräns mitbestimmen zu dürfen, genossen, ja zelebrierten sie diesen Moment an der Urne. Durch die Zulassung der brieflichen Stimmabgabe ging allerdings ein Teil dieser Magie verloren. Urne und Briefkasten sind nun einmal zweierlei.

Stellen wir uns nun einmal vor, die Frauen der 1960er und frühen 1970er Jahre hätten sich um «kryptographische Codes», «End-to-End-Verschlüsselung», «Browser-Add-ons» oder um «geräteunabhängige Barrierefreiheit» kümmern müssen, wie das beim E-Voting nötig ist. Was hätten sie wohl zu «ISO- und TÜV-zertifizierten Servern», «Blockchain-Lösungen», den Vorzügen des «In-Private-Modus» oder zum «Fingerprint des Zertifikats» gesagt? Ob sie die individuelle Verifizierbarkeit der universellen vorgezogen hätten?

Nach allem, was ich über diese tapferen Frauen weiss, hätten sie wohl zu Recht bloss den Kopf geschüttelt und sich der Diskussion verweigert. Und ebenso zu Recht hätten sie auf die Ernsthaftigkeit und das Wesentliche der demokratischen Auseinandersetzung verwiesen. Es geht in einer Demokratie nämlich nicht nur darum, dass abgestimmt wird. Entscheidend ist, dass sich die Minderheit dem Willen der Mehrheit fügt. Und das kann von ihr nur erwartet werden, wenn am Ergebnis nicht der Hauch eines Zweifels besteht. Wer zulässt, ja erst die Möglichkeit schafft, dass ­Abstimmungsergebnisse in Zweifel gezogen werden können, vergiftet die Demokratie.

Es kann nicht sein, dass wir nach jeder Volksabstimmung auf das Verdikt der Computerexperten angewiesen sind. Wenn sie sagen, es sei alles bestens abgelaufen, müssen wir es glauben. Wenn sie sagen, es sei zwar zu Störungen gekommen, aber diese hätten behoben werden können, müssen wir das glauben. Und wenn Sie sagen, es sei etwas schiefgelaufen, aber man wisse nicht genau was, es sei darum besser, die Abstimmung zu wiederholen, müssen wir das glauben. – Bis am Ende unsere direkte Demokratie dran glauben muss.

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Verfasst für den „Zürcher Oberländer“ vom 3. Januar 2019.