Mit einer parlamentarischen Initiative wird gegenwärtig versucht, das Initiativrecht massiv einzuschränken. Nur noch was die linke und politisch korrekte Parlamentsmehrheit für völkerrechtskonform hält, soll Volk und Ständen zur Abstimmung vorgelegt werden. Das ist nichts anderes als die Aushöhlung der Demokratie, ein leiser Putsch. Besonders bedenklich ist der Umstand, dass sich ein Grossteil der Freisinnigen ins Lager der Putschisten geschlagen hat.
Ein guter Demokrat zeichnet sich nicht dadurch aus, dass er an möglichst vielen Abstimmungen teilnimmt, sondern dadurch, dass er das Ergebnis einer Abstimmung akzeptiert. Dies insbesondere dann, wenn er der Minderheit angehört, also überstimmt wurde. Daraus ergibt sich, dass ein schlechter Demokrat jemand ist, der sich weigert, ein demokratisches und auf korrektem Wege zustande gekommenes Verdikt anzuerkennen. Ein Beispiel für einen schlechten Demokraten ist der Zürcher Nationalrat Daniel Vischer von den Grünen.
Vischers Obstruktionsversuche
Während Demokraten stolz darauf sind, in einem Land zu leben, in dem es möglich ist, dass zwei Hausfrauen eine Volksinitiative lancieren können und es fertig bringen, Volk und Stände von ihrem Anliegen zu überzeugen, unheilbare Sexualstraftäter lebenslang in Verwahrung zu behalten, stellen Ideologen wie Vischer gleich das ganze System in Frage, weil sie mit dem Entscheid in der Sache nicht einverstanden sind. In einem ersten Obstruktionsversuch strebte Vischer danach, den Erlass eines Gesetzes zur Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung zu verhindern. Als Bock, der zum Gärtner gemacht wurde, bzw. als Präsident der zuständigen Verfassungskommission überzeugte er eine Mehrheit davon, sich der Erfüllung ihres Auftrags zu verweigern. Grund: Der Beschluss des Souveräns verstosse gegen zwingendes Völkerrecht und lasse sich nicht völkerrechtskonform umsetzen. Vischer, der nicht einmal einer Regierungspartei angehört, stellte sich also über den Souverän.
Schwindende Kraft zur Verteidigung der Demokratie
Während die Bundesversammlung in der vergangenen Legislaturperiode diesen Putschversuch noch abblockte, und die Kommission zur gesetzlichen Umsetzung der Verwahrungsinitiative zwang, scheint ihr heute dafür die Kraft zu fehlen. Die Weimarer Republik wurde seinerzeit nicht weniger standhaft verteidigt als in unseren Tagen die Demokratie der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
Federführend im laufenden Staatsstreich ist – wie könnte es anders sein? – Daniel Vischer von den Grünen. Von ihm stammt eine parlamentarische Initiative mit folgendem Wortlaut:
«Die Bundesverfassung sei dergestalt zu ändern, dass eine Volksinitiative dann ungültig ist, wenn sie materiell gegen den Grundrechtsschutz und gegen Verfahrensgarantien des Völkerrechtes verstösst.»
Es ist offensichtlich, dass Vischer seine Niederlagen in der Volksabstimmung und in der Bundesversammlung nicht überwunden hat. Ihm geht es nun darum, ähnliche Niederlagen in Zukunft zu verhindern. Er will darum ein Instrument schaffen, das ihm ermöglicht, gleich von Anfang an zu sabotieren, was ihm nicht in den Kram passt. Aus der Begründung seines Vorstosses geht hervor, dass Vischer darauf abzielt, der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) den Status zwingenden Völkerrechts zukommen zu lassen, was bisher von Lehre und Rechtsprechung abgelehnt wurde. Es gehe darum, eine «Harmonisierung zwischen Gültigkeit und Umsetzungsfähigkeit» von Volksinitiativen zu erreichen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Umstand, dass aus dem Initiativtext nicht einmal hervorgeht, wer die rechtliche Würdigung vornehmen soll. Wenigstens hat sich Vischer für diese Aufgabe nicht gleich selber vorgeschlagen.
FDP gegen Volksrechte
Am 11. März 2009 leistete der Nationalrat der parlamentarischen Initiative Vischer Folge. Die linken Antidemokraten verdanken diesen Zwischen-Sieg den zahlreichen Stimmen aus der FDP. Selbst Parteipräsident Fulvio Pelli und sein Vize Ruedi Noser stimmten zu, zusammen mit fast sämtlichen welschen Freisinnigen. Ein Trauerspiel für eine Partei, der der Aufbau unserer Demokratie und unseres Staates zu verdanken ist.
Im Zweifel für die Gültigkeit
Vor Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung war klar, dass unser Land keine materiellen Schranken für Volksinitiativen kennt. Der Souverän vertraute darauf, dass extremistische und demokratiefeindliche Anliegen vor Volk und Ständen ohnehin keinen Bestand haben. Einzig die Grundsätze «Einheit der Form» und «Einheit der Materie» galt es zu beachten, wobei eine grosszügige Praxis herrschte. Davon konnten nicht zuletzt Leute wie Daniel Vischer und Andreas Gross profitieren. Sowohl die Waffenplatz-Initiative (Rothenthurm) wie auch die Flugwaffen-Initiative (FA-18) verstiessen nämlich gegen das Gebot der «Einheit der Materie». In beide Vorlagen wurden mannigfaltige Anliegen verpackt. Gleichwohl dachte die damals noch bürgerliche Parlamentsmehrheit keine Sekunde daran, die Volksbegehren für ungültig zu erklären. Man hatte noch Sinn für die Demokratie und glaubte an ihre Überlegenheit.
Vischers Freunde
Ganz auf die Demokratie verzichten möchte freilich auch Daniel Vischer von den Grünen nicht. Wenn es um seine Freunde von der Hamas geht, wird er nicht müde, zu betonen, dass diese demokratisch gewählt worden seien. Selbst der Umstand, dass das erklärte Ziel der Hamas, Israel zu vernichten, mit dem Völkerrecht nur schwerlich in Übereinklang zu bringen ist, stellt für ihn kein Problem dar. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass Daniel Vischer von den Grünen ein ambivalentes Verhältnis zur Demokratie hat.
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Erschienen in der „Schweizerzeit“ vom 27. März 2009.
Und man kann mit Fug und Recht sagen, dass Claudio Zanetti von der SVP ein ambivalentes Verhältnis zum Völkerrecht hat. Er fordert von den Palestinensern die Einhaltung des Völkerrechts, will aber in der Schweiz dagegen verstossen.
@David
Es ist mir zwar schleierhaft, wo ich gegen Völkerrecht verstossen haben soll. Möglicherweise ist jedoch dieser Artikel in der Sache hilfreich: http://www.zanetti.ch/download/voelkerrecht.pdf
Bei den Freisinnigen gibt es eine Konstante: Dass es keine gibt. Die Wankelmütigkeit der FDP hat man bereits bei der verquickten Vorlage für die Weiterführung und Erweiterung der Personenfreizügigkeit vorgeführt bekommen: Erst im Parlament dagegen und dann dafür, wonach die SVP verloren auf einsamem Posten stand. Was das sog. Völkerrecht betrifft, so kann man sagen, dass das Wort zuallererst einmal gut tönt. Völkerrecht ist doch Recht, das die Völker schützt. Oder nicht ? Wer könnte gegen so etwas sein ? Nun, das war die ursprüngliche Idee. Inzwischen wird das Völkerrecht ausgebaut und mischt sich in alle möglichen Details ein, es hat ideologische Schlagseite bekommen. Wir tun gut daran, nur noch die zwingenden Bestimmungen dieses Konstrukts zu beachten und den Rest zu ignorieren. Was den nahen Osten betrifft, so erlaube ich mir zu sagen, dass die Israeli mindestens so sehr gegen dieses Recht verstossen wie die Palästineneser.