Das Geld, von dem im Zusammenhang mit der FIFA die Rede ist, stammt nicht aus dem Verkauf von Plüschmaskottchen. Der weitaus grösste Teil davon wurde den Bürgern zwangsweise weggenommen. Höchste Zeit für eine Service-public-Debatte. Nach dem äusserst knappen Ausgang der Abstimmung über das RTVG können sich dem weder SRF noch Roger de Weck entziehen.
Vor ein paar Jahren hatte ich die Gelegenheit, zusammen mit einer Gruppe interessierter Personen den Hauptsitz des Welt-Fussballverbandes FIFA am Zürichberg zu besuchen, um etwas über eine mir bis dahin unbekannte Welt zu erfahren. Ich erinnere mich, wie sich der stellvertretende Kommunikations-Chef Alexander Koch im grossen Konferenzsaal vor uns hinstellte und sagte: „Es gibt nichts Wichtigeres als die Fussball-Weltmeisterschaft.“ Nach einigem Befremden musste ich schliesslich eingestehen, dass diese Aussage der Wahrheit zumindest sehr nahe kommt. Es ist schlicht und einfach gigantisch, was der Entscheid, wo die nächste Weltmeisterschaft ausgetragen wird, alles auslöst.
Gefällt wurde dieser Entscheid bisher von einem Gremium, dem 25 Personen, fast ausschliesslich ältere Herren, angehören. Im so genannten Exekutivkomitee oder kurz „Exko“ braucht es also lediglich 13 Stimmen für eine Mehrheit. Nun wissen wir nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung, dass mit einer solchen Ausgangslage Korruption nicht ausbleiben wird. Denn gerade jenen, denen es im Grunde keine Rolle spielt, wo sie demnächst ein paar schöne Wochen auf fremde Rechnung verbringen werden, dürfte es nicht schwer fallen, ihre Stimme im Sinne des Meistbietenden abzugeben. Etwas anderes anzunehmen, wäre naiv.
Nach diversen Korruptionsfällen entschloss man sich bei der FIFA, das „Exko“ im Zuge eines Demokratisierungsprozesses zu reformieren. Es ist künftig nicht mehr für die WM-Vergabe zuständig. Neu ist das Sache des Fifa-Kongresses mit Vertretern aus allen 209 Nationalverbänden. Ohne Zweifel ist es schwieriger, eine Mehrheit von 209 Personen zu bestechen, als eine von 25. Doch unmöglich ist es nicht, und es darf nicht vergessen werden: Es geht um sehr viel Geld, und für die Vertreter der armen Länder Afrikas, Südafrikas und Asiens ist der Aufwand geringer, als für die Millionäre aus Europa. Und Stimmen bringen sie auch mehr.
Folge dem Geld!
Spätestens seit „Watergate“ wissen wir, dass es zur Aufdeckung eines Verbrechens häufig ratsam ist, Finanzströme genau zu untersuchen. Folgen wir also dem Geld! Wer könnte ein Interesse daran haben, Funktionäre eines Sportverbands zu bestechen? Und Warum? Woher stammt das Vermögen der FIFA? Sicher nicht aus dem Verkauf von Plüschmaskottchen.
Gemäss offiziellem Finanzbericht generiert die FIFA fast die Hälfte der Einnahmen aus Fernsehrechten. Es sind also Leute wie Roger de Weck, die sich mit zwangsmässig eingezogenem Geld das Recht erwerben, die Spiele auf den ihnen zur Verfügung stehenden Kanälen zu übertragen. Ob man, wie in Deutschland, von einer Demokratieabgabe spricht oder, wie in der Schweiz, von einer Billag-Gebühr oder einer „hoheitlich erhobenen Abgabe“ spricht, ist unerheblich. Es sind Zwangsabgaben, die auch zu entrichten hat, wer sich nicht im Geringsten für Fussball oder Sport interessiert. Der Unterschied zu ganz normalen Steuern ist nur für Rechtsdogmatiker bedeutsam. Es braucht endlich eine Debatte über den Service public, oder genauer: über die Frage, was mit Zwangsabgaben finanziert werden darf, und was Privatsache ist.
Längst gibt es die technischen Möglichkeiten, um auch im Medienbereich Transparenz zu schaffen und eine Kostendeckung nach Verursacherprinzip einzuführen. Allerdings wird seitens der Politik gemauert. „Brot und Spiele“ gilt noch immer. Zur Befriedigung der Massen haben Politiker und politisierende Richter mehrerer europäischer Gerichtshöfe kurzerhand ein Menschenrecht auf Übertragung wichtiger Fussballmatches im Gratis-TV proklamiert. Gratis ist daran zwar nichts. Man tut einfach so, als sei es einerlei, ob keiner oder jeder bezahlt.
Aus Gründen der politischen Opportunität werden selbst für die Prosperität eines Landes so zentrale Rechte, wie die Eigentumsgarantie oder die Wirtschafts- und Vertragsfreiheit ausser Kraft gesetzt. Privatrechtlich verfasste Sportvereine und Verbände dürfen nicht mehr frei darüber entscheiden, wem sie die Übertragungsrechte an ihren Spielen übertragen wollen. Dieses Recht wurde ihnen genommen. Sie wurden enteignet. Auch in Deutschland erklärten es die Politiker aus purem Populismus zum Menschenrecht, „bestimmte Grossereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung“ fremdfinanziert auf dem eigenen Bildschirm anschauen zu können. Dass sich gerade mittels Pay-TY ohne staatliches Zutun genau bestimmen liesse, was die Konsumenten tatsächlich für gesellschaftlich bedeutsam halten, kümmert die Politiker und staatlichen Funktionäre nicht. Das legen diese lieber gleich selber fest.
Wie jede Form der Kriminalität folgt auch Korruption den Gesetzen der Ökonomie. Sie muss sich für alle Beteiligten finanziell lohnen. Der Zeitpunkt, wann Korruption wirtschaftlich Sinn macht, lässt sich bestimmen. Damit ein Land den Zuschlag für die Austragung eines sportlichen Grossanlasses erhalten kann, müssen zahlreiche Bedingungen erfüllt sein. Neben einer Defizitgarantie müssen die – in aller Regel mit Steuergeld erstellten – Infrastrukturbauten vorhanden oder der Bau nach genauen Vorgaben zumindest garantiert sein. Ob diese Gebäude und Anlagen nach der Veranstaltung noch gebraucht werden, oder, wie in Griechenland, wenig später als Weideland für Schafe dienen, kümmert zu diesem Zeitpunkt niemanden. Und die Steuerzahler, die es sehr wohl kümmern würde, werden in der Regel nicht gefragt. Und wo sie gefragt werden, antworten sie meistens nicht so, wie es Politiker und Sportfunktionäre gerne hätten.