Gewiss, unsere Demokratie hat schon zahlreiche Krisen und sogar zwei Weltkriege überstanden. Dennoch: Auch die stärkste Demokratie geht zu Grunde, wenn die Demokraten nicht mehr für sie einstehen.
Der Demokratie liegt die Annahme zu Grunde, dass ein Entscheid besser wird, je mehr Menschen daran beteiligt sind. Vor allem sollen auf diese Weise Fehlentscheide vermieden werden.
Dieser Gedanke kommt übrigens auch bei der Besetzung von Gerichten, die sich gegenwärtig zu Herren über die Demokratie aufspielen, zum Ausdruck: je wichtiger ein Entscheid, desto grösser der Spruchkörper. Und nicht nur das: in besonders wichtigen Ausnahmefällen weisst die Bundesverfassung der Bundesversammlung sogar richterliche Kompetenzen zu. Nach Artikel 173 sind das Entscheide über Zuständigkeitskonflikte zwischen den obersten Bundesbehörden sowie Begnadigungen und Entscheide über Amnestie.
Das Primat des Demokratischen
Auch an anderer Stelle macht die Bundesverfassung klar, dass das demokratische Prinzip in unserem Land eindeutig Vorrang vor dem rechtsstaatlichen Prinzip geniesst. In Artikel 190 heisst es nämlich klar, dass Bundesgesetze und Völkerrecht für das Bundesgericht und die anderen rechtanwendenden Behörden massgebend sind. Damit wird die von vielen Etatisten geforderte Verfassungsgerichtsbarkeit explizit ausgeschlossen. Das Bundesgericht hat eben gerade nicht das Recht ein Bundesgesetz oder gar einen Volksentscheid aufzuheben. Es muss sogar verfassungswidrige Bundesgesetze anwenden – weil diese demokratisch legitimiert sind. Sei es, dass sie eine Referendumsabstimmung erfolgreich bestanden haben, oder weil das Referendum nicht ergriffen wurde.
Es gibt noch weitere Belege dafür, wie unserer Verfassungsväter den Demokratiegedanken hoch hielten: So haben wir beispielsweise kein Staatsoberhaupt, sondern nur Bundesräte, die sich so aufführen. Der Verfassung nach steht das Parlament eindeutig über dem Bundesrat. Und sowohl die Regierung wie die obersten Gerichte werden von der Bundesversammlung gewählt und sind dieser gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet.
Zu erwähnen ist auch, dass bei sonst vollständig gleichwertigen Parlamentskammern dem Nationalrat, als der demokratischeren Kammer eine leichte Privilegierung zukommt. So tagt die Vereinigte Bundesversammlung im Saal und unter Vorsitz des Präsidenten des Nationalrats, der auch als „höchster Schweizer“ bezeichnet wird.
Es ist aufgrund der Rechtslage ganz einfach unsinnig, zu behaupten die Demokratie habe sich dem Rechtsstaat unterzuordnen. Die Demokratie legt die Regeln fest und hätte sogar das Recht, den Rechtsstaat abzuschaffen und durch eine absolutistische Monarchie zu ersetzen.
Nichts ausser lösungsorientiert
Die gegenwärtige Kritik an der Demokratie im Nachgang zur Abstimmung über das Minarett-Verbot ist darauf zurückzuführen, dass die so genannt lösungsorientierten Politiker ausser lösungsorientiert nichts sind. Sie haben ein Ziel vor Augen, und es ist ihnen völlig egal, wie sie dorthin kommen. Zurzeit ist das strategische Ziel der EU-Beitritt, und auf dem Weg dorthin ist die direkte Demokratie natürlich hinderlich. Also wird alles zu unternommen, um sie zu schwächen.
Zurück zum Wesen der Demokratie. In einer Demokratie geht es nicht nur darum, dass Abstimmungen durchgeführt werden. Wesentlich ist, dass das Ergebnis einer Abstimmung für alle verbindlich ist. Ein Demokrat zeichnet sich dadurch aus, dass er das Verdikt der Mehrheit anerkennt. Blosses Respektieren, wie es unsere Landesregierung nach dem Minarett-Entscheid zugesagt hat, genügt nicht.
Nie an der Demokratie gezweifelt
Die SVP hat in den letzten 20 Jahren viele Volksabstimmungen verloren. Man denke nur an „Bretton-Woods“, „Waffenplatz-Initiative“, die Verschärfungen des Waffenrechts, das die Krankenversicherungsgesetz, neue Bundesverfassung, Erhöhung der Mehrwertsteuer, den Kulturförderungsartikel, „“Truppen im Ausland, „Asylinitiativen“, „Schwerverkehrsabgabe“ (LSVA), „Vernünftige Drogenpolitik“, UNO, „“Abtreibung, „Schengen/Dublin“, „bilaterale Verträge“, „Behördenpropaganda“ usw. die Liste ist nicht vollständig. Aber es ist klar: Wir haben sehr häufig verloren. Doch nicht ein einziges Mal ertönte aus unseren Reihen Kritik am System. Nie haben wir die direkte Demokratie infrage gestellt.
EWR-Abstimmung als Zäsur
Seit der EWR-Abstimmung ist alles anderes. Der 6. Dezember 1992 stellt eine Zäsur in der schweizerischen Geschichte dar. Plötzlich war das mit dem Volk als pro-forma-Opposition nicht mehr nur Theorie sondern Realität. Diese Niederlage hat man in Bern nie wirklich überwunden. Und nun haben am vergangenen 29 November der Bundesrat und mit ihm die Bundesversammlung und praktisch alle Parteien, Verbände und Medien eine weitere Abstimmung verloren.
Es folgte die Stunde der Professoren und Experten: Aus den Bündner Bergen forderte ein ausgemusterter Bundesrichter, die Nichtbeachtung dieses Entscheids von Volk und Ständen. Bereits vor einigen Jahren hat sich das Bundesgericht zu einer eigentlichen Gefahr für die direkte Demokratie entwickelt und zwar im Zusammenhang mit dem Einbürgerungsverfahren. Die Lausanner Richter gingen zwar nicht so weit, gleich einen Anspruch auf die Erteilung des Bürgerrechts zu postulieren, aber sie erklärten den Schutz vor staatlicher Willkür zu einem absoluten Recht und leiteten daraus ab, dass die Ablehnung – und nur die Ablehnung! – zu begründen sei, damit der Antragsteller eine Grundlage erhält, den Entscheid anzufechten.
Weiter hielt das Bundesgericht fest, dass der Beschluss über den Einbürgerungsantrag kein politischer Entscheid, sondern blosser Verwaltungsakt sei.
Lösungsorientiert verblendet
Unser höchstes Gericht, das die gemäss Bundesverfassung die Rechte des Volkes zu schützen hätte, hat das Volk einer wichtigen Kompetenz beraubt. Über die Tragweite dieses Entscheids und über die Fragen, die er aufwirft, machten sich die Richter keine Gedanken. Man wollte mehr Einbürgerungen und entschied für mehr Einbürgerungen.
So fehlt jeder Anhaltspunkt, wie dem Grundsatz nach zwischen politischen Entscheiden und Verwaltungsakten zu unterscheiden sei. Das Bundesgericht gibt beispielsweise keine Antwort auf die Frage, wie denn zu verfahren sei, wenn jemand aus willkürlichen Gründen nicht in ein politisches Amt gewählt wird oder wenn eine Sachvorlage aus willkürlichen Gründen verworfen wird. Wenn das Willkürverbot absolut gilt, müsste auch für Wahlen und Abstimmungen über Sachfragen eine überprüfbare Begründung verlangt werden. Damit würde die ganze Demokratie zu einem Verwaltungsakt, und am Ende hätten die Richter das letzte Wort.
Das Bundesgericht führt auch nicht aus, weshalb es plötzlich völkerrechtswidrig sein soll, dass in der Schweiz das Volk über Einbürgerungen entscheidet, wie dies in der auf ihre Vereinbarkeit mit dem Völkerrecht geprüften Bundesverfassung ausdrücklich vorgesehen ist.
Und schliesslich liefert das Bundesgericht auch keine Erklärung dafür, weshalb die Verwaltung bessere Entscheide fällen soll als das Stimmvolk. Wieso soll eine Handvoll Beamter gescheiter sein als die Tausenden von Menschen, die für ihren Lohn aufkommen?
Der politisierende Professor
Noch jemand meldete sich nach der Minarett-Abstimmung zu Wort: Der Hohepriester der politischen Korrektheit, Georg Kreis, warnte mit Verweis auf die 30er-Jahre vor den Gefahren der Demokratie. Eine Ungeheuerlichkeit für jemanden der sein ganzes Leben lang von einem demokratischen Staat gelebt hat. Hitler ist nicht dank der Demokratie an die Macht gelangt, sondern wegen der Schwäche derer, die sie hätten verteidigen sollen. Und das erste, das die Nazis nach der so genannten „Machtergreifung“ taten, war, die Demokratie abzuschaffen. Es gab keine Parteien mehr, es gab keine Wahlen mehr, und das Parlament entmachtete sich gleich selbst.
Das weiss Kreis natürlich. Er sagt dies nicht als Geschichtsprofessor, sondern als politisierender Geschichtsprofessor. Er verfolgt ein politisches Ziel: Er will die SVP verunglimpfen, indem er eine Nähe zum Nationalsozialismus suggeriert. Dabei könnte der Vergleich abwegiger nicht sein: Im Jahr 1933 – im Jahre der Machtübernahme durch Hitler – als es tatsächlich eine Fröntlerbewegung gab, die aber – wegen der direkten Demokratie – politisch bedeutungslos blieb, hielt die Zürcher SVP folgendes fest:
„Nicht Sichel und Hammer und nicht das Hakenkreuz, nicht das Dogma einer Partei und nicht die staatliche Diktatur können unsere Losung sein. Scharen wir uns entschlossen unter dem weissen Kreuz im roten Feld, dem Symbol der Demokratie, dem Zeichen der inneren Verbundenheit und der gegenseitigen Verantwortung. In diesem Zeichen werden wir den politischen Gegner überwinden und siegen!“
Genau für diese Politik standen auch die Bundesräte der SVP in dieser Zeit: Minger und Wahlen. Man muss abgrundtief boshaft oder krank sein, um diesen Männern das zu unterstellen, was Georg Kreis ihnen und der SVP unterstellt hat.
Das Einstehen für die Demokratie ist das Gegenteil von Fundamentalismus
Kommen wir zu einer weiteren Person, die unter allen Umständen in die EU will, und die bereit ist dafür alles zu opfern, was unser Land ausmacht. Die Rede ist vom Zürcher Literaturwissenschaftler Peter von Matt, der kürzlich im Tages-Anzeiger vor „Selbst ernannten Schweiz-Besitzern“ und „politische Fundamentalisten“ warnte. Dreimal dürfen sie raten, wer gemeint ist. Richtig: Diejenigen, die die direkte Demokratie als System gut finden und nicht nur dann, wenn sie eine Abstimmung gut finden. Etwas, das Fundamentalismus ferner liegt, kann man sich kaum vorstellen.
Und dann sagt Professor von Matt: „Ich lasse mir mein Land nicht wegnehmen.“ Pardon, wer will hier wem etwas wegnehmen? Wer will hier einen anderen Kurs als der, der unserem Land über Jahrzehnte Friede und Unabhängigkeit gesichert hat? Wer zieht plötzlich in eine andere Richtung, und wer will am bewährten festhalten?
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich habe nicht gegen Änderungen. Aber das Neue muss besser sein als das Alte. Und bisher hat mir noch nie jemand erklären können warum ich ein System, das mich zu einem Teil des Souveräns macht, aufgeben soll, damit einige Funktionäre in Brüssel mitbestimmen können. Für mich als Bürger ist klar, was hier besser ist. Ein Funktionär mag das anders sehen, aber das braucht uns an dieser Stelle nicht zu kümmern – wir sind schliesslich eine Volkspartei und haben für das zu kämpfen, was dem Volk zum Vorteil gereicht.
Wir befinden uns seit einigen Jahren (mindestens seit Mastricht) in einem subtilen Kampf der classe politique (et juridique !) gegen die eigenen Völker, gegen den eigenen sogenannten Souverän. Schweizer Exponenten sind oben genannt. Endziel: Vorerst die gelenkte Demokratie, dann die Behördendiktatur als weitere Diktaturform neben der Militär- und Parteidiktatur. Die Entwicklung ist auch in der Schweiz angelaufen, andere Länder sind weiter, andere noch nicht. Bei uns wirkt die direkte Demokratie als Bremsklotz. Aber sie wirkt nicht zu 100%. Vorsicht ist geboten.
Wehret den Anfängen! Wir brauchen keine Diktatur der Mehrheit. Wir befinden uns seit Jahren in einem subtilen Kampf der Classe Populiste gegen sich selber. Wer elementare Rechte, in erster Linie die Menschenrechte, abschaffen will, sägt am eigenen Ast. Die direkte Demokratie verdient zudem ihren Namen nicht, solange das Stimmverhalten sowie die Parteienfinanzierung nicht offengelegt wird. Die Privatisierung des ersteren bewirkt eine Immunisierung gegen das Ablegen von Rechenschaft und Gründen des Stimmbürgers, wovon der irrationale Bauch-Entscheid zum Minarettverbot, bei dem der Stimmbürger bei Umfragen die Öffentlichkeit belogen und betrogen hat, Zeugnis ablegt. Die Verheimlichung des letzteren dient einzig dazu, dass finanzstarke (Unternehmer-)Kreise aus dem rechtskonservativen Filz die Meinungsbildung massiv beeinflussen. Wer bezahlt etwa für die antiamerikanische, äh, antideutsche Stimmungsmache zwei ganze Seiten in einem Boulevard-Medium wie dem Tages-Anzeiger? Walter Frey? Oder benutzt Robert Nef wieder mal seine Beziehungen zu alten Damen vom Züriberg? Das sind Dinge, deren Verheimlichung einer direkten Demokratie unwürdig sind…