Die SVP des Kantons Zürich sucht einen neuen Präsidenten. Als Favorit für die Nachfolge von Alfred Heer, der das Amt nach sieben Jahren abgibt, gilt Nationalrat Claudio Zanetti. Das Rennen ist aber noch offen. – Ein Interview der Zürcher Regionalzeitungen.
Sie gelten als Favorit für das Zürcher SVP-Parteipräsidium. Sehen Sie das auch so?
Claudio Zanetti: Nein. Ich weiss ja nicht, werallesimRennenist. Vielleicht steht plötzlich ein Name im Raum, wo auch ich sage: Das ist die beste Person für diese Aufgabe.
Die Findungskommission sucht nach Ablauf der Bewerbungsfrist weiter nach Kandidaten.
Sie könnte sich also noch einen besseren vorstellen als Sie.
Es ist ihr gutes Recht, ja ihre Pflicht, weitere Namen vorzuschlagen. Es geht darum, die beste Lösung zu finden.
Als Präsident – welches Ziel würden Sie der Partei vorgeben?
Sichere Zukunft in Freiheit – das ist unser altbewährter Slogan. Er ist hervorragend. Wir feiern 2017 100 Jahre SVP, und so vieles von damals gilt bis heute. Wir brauchen keinen Richtungswechsel.
Die SVP hat wieder zwei Bundesräte und zeigt sich nun zum Teil auch wieder kompromissbereiter. Tragen Sie das mit?
Ja klar. Das war wie eine tektonische Spannung, die sich entladen musste. Jetzt ist eine Zufriedenheit da, weil wir wieder eine Regierung haben, welche die politischen Verhältnisse im Land abbildet.
Sie gelten als einer mit kultivierter Seite, der aber auch ausfällig werden kann. Vor allem die FDP, bei der Sie Ihrepolitische Karriere starteten, hat das zu spüren gekriegt.
«Ausfällig» ist zu hart. Ich mag den intellektuellen Schlagabtausch. UndmanchmalmüssenSiejemandem auch den Spiegel vorhalten – wie vor acht Jahren, als die FDP mit dem Thema Klimawandel in den Wahlkampf zog. Es sei falsch, auf diesen Zug aufzuspringen, habe ich gesagt und damit viele geärgert. Aber ich finde, bei der FDP gibt es auch ganz prächtige Leute. Und schauen Sie sich die Junge FDP an! Natürlich gibt es auch jene, die es nicht verwinden, dass die SVP heute stärkste Partei ist. Jedoch wird wohl niemand abstreiten, dass die FDP auch selber zu ihrem Abstieg beigetragen hat.
Generell scheint es, dass die bürgerliche Zusammenarbeit wieder besser funktioniert.
Ich halte fest: Wir haben bei Exekutivwahlen immer die anderen bürgerlichen Kandidaten unterstützt – die FDP hat oft nicht Gegenrecht gehalten. Aber ich finde die Zeichen für eine gute bürgerliche Zusammenarbeit tatsächlich ermutigend, wenn ich sehe, wer bei der FDP kantonal und national für das Parteipräsidium antritt, ebenso bei der CVP Schweiz. Nochmals: Ich denke, diese Bundesratswahl hat es ausgelöst.
Sie haben auch innerparteilich ausgeteilt – etwa gegen den damaligen SVP-Regierungsrat Christian Huber. Alles vergessen und überwunden?
Das müssen Sie Herrn Huber fragen. Ich bleibe dabei: Wer sich für eine Partei wählen lässt, soll auch ihre Werte und Positionen vertreten. Das hat Huber beim damaligen Sparpaket nicht genügend getan. Andererseits habe ich mich im Kantonsrat immer dafür eingesetzt, dass die vom Flughafen betroffenen Kollegen und Kolleginnen die Anliegen ihrer Gemeinde auch gegen die Fraktionsmehrheit vertreten konnten. Wir sindschliesslich keine Sekte!
Die politischen Extreme bilden aktuell «Gutmensch» und «Wutbürger». Wie würden Sie die zwei umschreiben?
Den Begriff «Wutbürger» empfinde ich als geringschätzig. Er wird den Leuten nicht gerecht, die ihren Unmut über eine Malaise ausdrücken. Vor allem aber ist es ein deutscher Begriff. Dort hat die Überheblichkeit der politischen Klasse ja unerträgliche Formen angenommen. Nehmen Sie den deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger, der über die AfD-Chefin Frauke Petry gesagt hat, wenn sie seine Frau wäre, würde er sich erschiessen. Hier sind die Verhältnisse durcheinandergeraten. In der Schweiz haben wir die direkte Demokratie. Bei uns gibt es daher keine Wutbürger. Der Bürger kann sich an der Urne wehren.
Und der Gutmensch?
Auch da tut man den Betroffenen zu einem gewissen Grad Unrecht. Andererseits ist die Umschreibung halt auch treffend, und ich verwende sie auch. Damals beiunserem Messerstecherinserat haben wir ja die «Linken und Netten » ins Visier genommen. Dabei hat nicht das Messerbild empört, sondern der Begriff «Nette» – und zwar jene, die damit gemeint waren. Das sind Leute, welche letztlich die Realität nicht akzeptieren können. Aber sie leiden ja auch darunter. Linke sind öfters depressiv als andere, wie man mal im «Spiegel» lesen konnte. [Lesen Sie dazu hier.]
Wo zwischen den zwei würden Sie sich selbst positionieren?
Schwierig zu sagen. Als Wutbürger sehe ich mich nicht. Ich kämpfe für das Freiheitliche. Dazu gehört auch, dass ich die Leute akzeptiere, wie sie sind – auch politisch.
Sie sind Jurist und PR-Berater. Was arbeiten Sie genau?
Ich bin selbstständig, ich texte und entwerfe Webinhalte.
Das Parteipräsidium ist arbeitsintensiv, hätten Sie Zeit dafür?
Die würde ich mir nehmen. Und ich weiss auch, was es für dieses Amt, das ja übrigens nicht entlöhnt ist, braucht: eine dicke Haut zum Einstecken, aber auch Fingerspitzengefühl, um die Partei zusammenzuhalten. Ich denke, das bringe ich mit, zumal ich von 1999 bis 2007 Parteisekretär war.
Sie waren als Redaktor bei der «Basler Zeitung» vorgesehen.
Die Wellen gingen hoch, es kam nicht zum Vertragsabschluss.
Fänden Sie überhaupt noch eine Stelle ausserhalb der SVP?
Das ist schwierig. FDP-Parteisekretäre werden später Regierungsrat oder NZZ-Verwaltungsrat. Wer sich für die SVP exponiert, mussuntendurch. Das war auch bei der BaZ-Geschichte so, als gewisse Vertreter Ihrer Zunft die Verhältnisse aus den Augen verloren. Ich bin nun Nationalrat und will diesen Job gut machen. Sonst hätte ich mir eventuell überlegen müssen, die Politik zu verlassen und mich beruflich neu aufzustellen – und zwar in aller Zuversicht. Ich kann ja auch was: Sprachen, ich habe eine juristische Ausbildung.
Sie gelten als Vertreter der neuen SVP-Generation – studiertund smart. Wie charakterisieren Sie selber die Partei?
Gehen Sie mal an eine SVP-Delegiertenversammlung! Das ist wie ein Kraftzentrum. Jung und Alt, alle Schichten sind da. Eine gute Mischung. Mal überwiegen die Akademiker, mal die Gewerbler – es gleicht sich stets wieder aus.
Auch zwei Bauern wollen Parteipräsident werden. Sie fürchten um den Einfluss ihres Standes, nachdem kein Zürcher SVP-Bauer mehr in Bern vertreten ist. Verstehen Sie das?
Die Bauern sind mir sehr wichtig. Dass sie jetzt gerade nicht mehr im Nationalrat vertreten sind, liegt auch etwas an ihnen selber. Sie hätten ihr Kandidatenfeld verjüngen sollen. Ich habe frühzeitig darauf hingewiesen. Aber auch das gleicht sich wieder aus. Mit Martin Haab ist ja ein Bauer erster Ersatz.
Kandidat fürs Präsidium ist auch Hans-Peter Amrein. Warum soll die DV Sie und nicht ihn wählen?
Hans-Peter ist ein guter Freund, dazu will ich jetzt nichts sagen.
Interview: Thomas Marth